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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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gespannt auf dich«, sagte sie.
    »Der Ralf?«, wiederholte Eva und grinste noch hämischer. «Der Ralf?«
    »Ja, genau, der Ralf«, fauchte Nina.
    Eva legte den Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Hals. »Wir Frauen von heute nehmen nicht den Ersten, sondern den Besten«, stieß sie zwischen zwei Lachsalven hervor. »Das ist wirklich komisch.«
    Nina zog mich weg und ließ Eva einfach stehen.
    »Sie ist nur neidisch«, behauptete sie. »Ich hatte ihr Ralf nämlich auch schon mal vorgestellt, aber sie war einfach nicht sein Typ. Das hat sie ihm nicht verziehen.«
    Ich stöhnte. »Ich möchte ihn mir erst mal von weitem angucken, wenn das geht.«
    Nina zuckte unwillig mit den Schultern, zeigte dann aber mit großartiger Geste auf einen Mann, der sich gerade Roberts CD-Sammlung anschaute.
    Schon der ausrasierte Nacken missfiel mir über alle Maßen. Und dann der Name: Ralf! So hieß doch der Junge in dem Lied von LSE, der in der Feinkostabteilung des Kaufhauses im
    Hummerbecken herumschwamm, mit nichts als einem gelben Gießkännchen bekleidet.
    »Das ist er. Groß, sportlich, studiert, ohne Schnurrbart«, flüsterte Nina begeistert. »Besser hätte ich ihn dir gar nicht malen können.«
    Ralf drehte sich um. Er war eine unscheinbare Gestalt in einem gießkännchengrünen Sakko, eher spärlich behaart, mit gut durchbluteten Lippen, die er jetzt zu einem Lächeln in unsere Richtung verzog.
    »Er sieht aus, als spiele er Posaune in einer Big-Band«, sagte ich und fand mich selber gemein. Ralf machte einen halben Schritt auf uns zu, verharrte dann aber und drehte sich unsicher um die eigene Achse.
    »Los, komm jetzt«, befahl Nina.
    »Mir wäre es aber lieber, ich könnte ihn für den Rest des Abends von weitem betrachten.«
    Nina zerrte ungehalten an meinem Ärmel. »Dass du Menschen einfach nach ihrem Äußeren aburteilst, sieht dir gar nicht ähnlich. Außerdem ist es ihm gegenüber nicht fair. Er ist ganz alleine hier.
    Und er ist ziemlich schüchtern. Ich kenne mindestens ein Dutzend Frauen, die sich alle zehn Finger nach ihm lecken würden. Und du hast nun wirklich überhaupt keinen Grund, so wählerisch zu sein.«
    Ich schwieg beleidigt. Nina nutzte die Gelegenheit, Ralf herbeizulächeln. Er kam sofort.
    »Das ist meine Freundin Felicitas Trost«, stellte Nina
    vor und guckte wie eine Schlange. »Und das ist Ralf Schläger.«
    »Du bist also die Felicitas. Freut mich«, sagte Ralf und hielt mir seine Hand hin. »Nina und Robert haben mir schon viel von dir erzählt.«
    »Nächstes Jahr komme ich überhaupt nicht zu deinem Geburtstag«, sagte ich zu Nina.
    Sie lächelte nur und ließ mich mit Ralf stehen.
    »Du bist also die Felicitas«, wiederholte Ralf und musterte mich sehr gründlich von oben bis unten.
    »Du bist fast noch hübscher, als Robert dich beschrieben hat. Er hat mich allerdings auch vorgewarnt, dass du blond bist. Ich fahre nämlich eigentlich mehr auf Brünette ab.«
    »Da kann man ja noch hoffen«, meinte ich ärgerlich. »Mir hat man gesagt, du wärst schüchtern.«
    Ralf lachte dröhnend. »Das ist wirklich nicht zutreffend. Schüchternheit kann ich mir schon von Berufs wegen gar nicht leisten. Ich bin Immobilienmakler. Bei einer sehr großen Firma.«
    »Aha.«
    »Studiert habe ich Betriebswirtschaft«, fuhr Ralf ungefragt fort. »Zehn Semester, mit dem Schwerpunkt Steuerrecht. Man kann also sagen, dass ich auf diesem Gebiet auch ein Fachmann bin.
    Aber die Immobilien haben mich dann doch mehr gereizt. Deshalb habe ich alles noch mal über den Haufen geworfen.«
    Ich guckte betont desinteressiert in eine andere Richtung. Manche Menschen gehen weg und lassen einen in Ruhe, wenn sie den Eindruck haben, man hört ihnen nicht zu.
    Ralf gehörte nicht zu diesen Menschen. Er setzte zu einem längeren Monolog über die derzeitige Immobi
    lienmarktlage an, während ich zum kalten Büfett hinüberwanderte. Ralf folgte mir.
    »Eine Immobilie ist vielleicht nicht die rentabelste Kapitalanlage, du«, sagte er. »Aber es bietet doch eine Menge Sicherheit, schon früh Eigentum zu besitzen.«
    Ich schaufelte mir einen Teller voll mit dem matschigen Kartoffelsalat, den eine der Mütter aus Ninas Eltern- Kind-Kontaktkreis mitgebracht hatte.
    Ich konnte mir genau vorstellen, welche Mutter. Im Laufe der Zeit hatte ich die Theorie entwickelt, dass die Menschen genauso aussehen wie ihre Salate, so wie man auch sagt, dass Hunde Abbilder ihrer Halter seien.
    »Ich habe vor zwei Jahren ein Grundstück erworben und

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