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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Wochen, weil mir der Computer so oft abgestürzt ist.«
    »Du meinst, du kannst das immer selber beheben, wenn das verfluchte Ding abstürzt?«
    »Ja«, sagte ich bescheiden. »Meistens.«
    »Wunderbar«, rief Beate. »Ich kann dir ja gar nicht sagen, wie ich mich freue, mit dir in einem Büro zu sitzen.«
    Am Abend war ich müder denn je. Ich kannte jetzt den Unterschied zwischen einem Dressur- und einem Springsattel und wusste auch, dass Sehnenschoner und Soft- gamaschen nicht das Gleiche waren, auch wenn sie in meinen Augen vollkommen identisch aussahen. Mit einigem Schrecken hatte ich Kernigs Telefonate mit Kunden im Ausland verfolgt und dabei festgestellt, dass ich weit über die Hälfte der Worte, die er benutzte, nicht kannte.
    Ich aß einen Teller Erbsen ohne alles und eine halbe Tüte fettreduzierter Chips, bevor ich mich mit Langen
    scheidts Taschenwörterbuch Englisch aufs Bett warf und nach Vokabeln suchte, die ich in nächster Zeit gebrauchen konnte. Schließlich war meine Karriere als Exportmanagerin alles, was ich im Augenblick hatte. Ich war fest entschlossen, das Beste draus zu machen. Direkt unter A fand ich eine Menge nützlicher Vokabeln: Abbestellung, Abbuchungsauftrag, Abnehmer, Absatzsteigerung -
    lauter wichtige Substantive, die mir bis dahin völlig unbekannt gewesen waren. Außerdem fand ich einige Adjektive, die sicher sehr bald auf mich zutreffen würden: abgearbeitet, aber auch abgebrüht und abgehärtet. Als ich beim Buchstaben B
    angelangt war, klingelte das Telefon. Es war Nina.
    »Na?«, fragte sie. »Wie geht es dir so? Als Karrierefrau.«
    »Wie definierst du Karriere?«
    »Karriere ist das, was einem wichtig sein sollte, wenn man beschlossen hat, ohne Mann zu leben«, sagte Nina.
    »Das habe ich keineswegs beschlossen«, entgegnete ich.
    »Ach ja, und warum warst du dann so zickig zu Ralf?«
    »Lieber Gott, ich war nicht zickig, ich habe mich nur ein kleines bisschen gewehrt.«
    Nina seufzte. »Du bist wirklich komisch. Da redest du ununterbrochen davon, dass du versorgt sein und in einem Haus im Grünen leben willst, und wenn dir der passende Kandidat über den Weg läuft, tust du so, als seist du nicht interessiert.«
    »Nina, ich hab' nicht so getan! Der Typ ist einfach unmöglich.«
    »Ralf fand dich im Übrigen gar nicht so übel. Er hat gestern mit Robert Badminton gespielt und gesagt, dass er dich sogar richtig süß fand.
    Allerdings meint er, dass
    man es dir einfach zu stark anmerkt, wie sehr du auf der Suche bist.«
    »Das hat er nicht gesagt!« Doch, das hatte er gesagt, es passte zu ihm.
    »Jedenfalls war er bereit, sich noch mal mit dir zu treffen.«
    »Nur über meine Leiche«, sagte ich.
    »Felicitas, kann ich dich mal was fragen? Warum hast du es nicht wenigstens mal mit ihm versucht?
    Du hättest ihn ja nicht gleich heiraten müssen.«
    »Der Typ ist völlig indiskutabel, Nina«, sagte ich wütend. »Ich empfinde es als eine Beleidigung, dass du überhaupt in Erwägung gezogen hast, dass er für mich infrage kommt.«
    »Ja, worauf wartest du denn?«
    »Darauf, dass ich ganz einfach einen normalen, netten Typen kennen lerne, der mich genauso interessant findet wie ich ihn. Jemand, der Katzen mag und dem es nichts ausmacht, in ungebügelter Bettwäsche zu schlafen, jemand, mit dem es Spaß macht, ins Bett zu gehen, weil es gut ist, und nicht, weil es was Neues ist.«
    Nina schwieg eine Weile. »Du wartest auf ein Wunder«, sagte sie dann und legte auf.
    Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren war ich ernsthaft böse auf sie.
    Es regnete weiterhin vierundzwanzig Stunden täglich. Am zehnten Dezember wurde es sogar den ganzen Tag über nicht hell. Es war der Tag, an dem ich meine Karriere bei Hoppe und Partner wirklich begann.
    Als Exportmanagerin mit nach oben offenem Gehalt im Hause Hoppe hatte ich leider keine Mitarbeiter, die
    ich managen konnte. Zu meinen Hauptaufgaben ge-hörte das Erfassen der Bestellungen von Kunden aus dem Ausland. Sie kamen mit der Post, per Fax oder übers Telefon. Frau Hellmann von der Pforte konnte kein einziges fremdländisches Wort, und sobald sie ein solches von einem Anrufer hörte, stellte sie ihn zu meinem Apparat durch, ganz egal, was eigentlich sein Anliegen war. Nach dem vierten Anruf in Folge war ich schweißgebadet und bekam Herzrasen, wenn das Telefon nur schellte. Dabei war ich selber verblüfft, wie viele Worte mir während des Sprechens einfielen, von denen ich gedacht hatte, dass ich sie nie gekannt hätte! Und nicht nur in

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