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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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erstaunt.
    »Nein, hier nicht«, erklärte Frau Reisdorf. »Hier mache ich die Ablage für jedes Büro. Das ist eine Erfindung vom kleinen Arschloch. Er meint, für alles andere sei ich zu dämlich.« Sie lachte fröhlich.
    »Ich schlage vor, dass wir uns duzen. Du wirst zwar vermutlich auch nicht lange bleiben, aber so ist es einfach netter. Ich bin die Anja.«
    »Felicitas«, sagte ich erfreut. Endlich mal wieder jemand Nettes.
    »Willkommen im Irrenhaus«, sagte Anja Reisdorf.
    »Und lass dich nicht unterkriegen.«
    Beate führte mich die Treppe hinunter ins Erdgeschoss und öffnete eine schwere Doppeltüre aus Metall. »Unser Lager!«
    Das Lager war ein beeindruckender Ort. Eine riesige Halle, vier Meter hohe Wände, bis unter die Decke mit Regalen zugestellt, zwischen denen Mitarbeiter mit Einkaufswagen herumfuhren, beladen mit all den herrlichen Artikeln, die im Katalog aufgeführt waren, Lon- gierbrillen, Halfter, Sättel, Reitstiefel, Wetterjäckchen aus Polyäthylen und eine Menge Dinge, die schon bald beim Namen nennen zu können ich mir fest vornahm. Beate grüßte freundlich nach links und rechts, blieb aber nirgendwo stehen, um mich vorzustellen. Ziemlich zielstrebig näherte sie sich einer Ecke, aus der lautes Gebrüll erscholl.
    »Bin isch hier denn nur von Arschwichsern umge-ben!«, schallte es durch die Halle. »Muss isch denn alles hundertmal erklären, bis du Schwachkopf dat kapierst?«

    Wir bogen um ein Regal voller eingeschweißter Bandagen und standen direkt vor einem großen, mittelalten Mann. Der blaue Lageristenkittel spannte sich so fest über den gewaltigen Bauch, dass man fürchten musste, jeden Augenblick einen der Knöpfe ins Auge geflitscht zu bekommen. Oberhalb des Kragens ging der Bauch unmittelbar in ein feuerrotes Gesicht über. Vor ihm guckte ein kleiner, junger Mann angestrengt auf den Boden.
    »Noch mal so 'ne Scheiße, und du kannst dir 'nen Arschtritt und deine Papiere aus dem Personalbüro holen«, brüllte der andere. »Und heute jehste hier nischt eher raus, bis dat dat Widder in Ordnung jebracht iss, klar? Und wennde mir in nächster Zeit irgendwie mit Überstundenausgleisch oder so 'nem Scheiß kommen willst, dann kriegste den Tritt in den Arsch kostenlos dazu, kapiert?«
    Der junge Mann nickte und schlurfte, den Blick auf den Boden gesenkt, an uns vorbei.
    »Guten Tag, Herr Simmei«, sagte Beate.
    Herrn Simmeis Haifischmund lächelte. »Dat kleine Frolleinschen vom kleinen Scheff. Wo brennt's denn?«
    »Ich wollte Ihnen Frau Schmidts Nachfolgerin vorstellen«, sagte Beate und zeigte auf mich.
    Herrn Simmeis Lächeln wurde breiter. »Junge, Junge«, sagte er anerkennend. »Dat Frollein Nachfolgerin kann sisch aber auch sehen lassen.«
    Er streckte mir seine Hand hin. »Isch bin hier der Lagerleiter. Kein Honigschlecken, die faulen Kerls hier am Arbeiten zu halten.«
    »Felicitas Trost«, sagte ich und ergriff seine ausgestreckte Hand.

    »Simmei«, sagte Herr Simmei und lachte. »Simmei ohne P. Ohne P, wenn Se verstehen, wie isch dat meine.«
    Tatsächlich brauchte ich ein Weilchen, um zu verstehen, wie er das meinte. Erst dachte ich, Simmei mit P hieße Simpel.
    Beate zupfte mich am Ärmel. »Wir müssen weiter.«
    »Wir sehen uns ja noch«, sagte Herr Simmei ohne P zu mir. »Auf jute Zusammenarbeit denn.«
    »War das das kleine Arschloch?«, fragte ich auf dem Weg zurück nach oben.
    »Der Simmei? Ach was. Der ist einfach ein blöder Sack, der seine Mitarbeiter fertig macht«, sagte Beate. »Das kleine Arschloch macht das auch, aber auf subtilere Weise. Den Unterschied wirst du sehr schnell merken.«
    Sie sah auf die Uhr. »Jetzt müssen wir leider an den Computer. Das blöde Ding ist mir heute schon dreimal abgestürzt, und die Müller-Seitz wurde bei jedem Mal unfreundlicher. Beim dritten Mal habe ich mich nicht mehr getraut, sie herzubitten.«
    »Man könnte doch auch die andere fragen, die Blonde aus der Buchhaltung«, schlug ich vor.
    Beate grinste. »Eher würde ich ohne Schuhe nach Hause gehen«, sagte sie.
    Oben im Büro schaute ich auf ihren Bildschirm.
    »Der Eintrag konnte nicht bearbeitet werden, weil Fehler 1 aufgetreten ist«, stand dort in einem blinkenden Feld.
    »Das kenne ich«, sagte ich. Diesen speziellen
    »Fehler« konnte man problemlos mit Jessie, Kessie und Tessie beseitigen. Es dauerte keine vier Sekunden. Beate war vollkommen verblüfft. »Wie hast du das gemacht?«
    Ich lächelte stolz. »Ich habe ein bisschen herumprobiert in den letzten

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