Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
ganz empfangsdamenmäßig aus dem Zimmer, um dann den Gang entlangzurennen, die Treppe hinab und runter ins Lager in rekordverdächtiger Zeit. .Aus Zeitgründen beschloss ich, das gewünschte Objekt einfach zu entwenden und Herrn Simmel den Sachverhalt später ausführlich auseinander zu setzen. Durch eine glückliche Fügung des Schicksals war exakt der gewünschte Führstrick, Kaufpreis sieben Mark fünfundneunzig inklusive Mehrwertsteuer, vorrätig.
    »Wunderbar«, sagte das Mädchen, als ich ihr den Führstrick überreichte.
    »Ja, Sie sind wirklich sehr flink und kompetent«, lobte mich auch der Vater und erhob sich. »Wenn Sie nicht wären, hätte ich jetzt keine gute Meinung mehr von Ihrem Hause. In den nächsten vierzehn Tagen können Sie mit unserem Auftrag rechnen.
    Vierhundert Paar Reitstiefel.«
    »Die zweihundertzehn Mark für die Decke verrechnen wir dann mit dem Führstrick«, sagte ich atemlos.
    »Aber wenn Sie statt einer Gutschrift lieber möchten, dass wir die Summe mit der nächsten Bestellung verrechnen, müssen Sie es mir nur sagen.«
    »Sie werden das schon richtig machen«, sagte Herr Nabadidi vertrauensvoll.
    Im Triumphzug geleitete ich die beiden an die Pforte zurück. Auf dem Gang aber stand uns Frau Stattelmann im Weg.
    »Ist das hier eine Prozedur?«, fragte sie.
    Ich nahm an, dass sie »Prozession« meinte, war mir aber nicht ganz sicher. Vielleicht meinte Frau Stattelmann mit Prozession ja so etwas wie eine lustige Polonaise und wollte gerne mitspielen? Von mir aus gern. Ich lächelte ihr aufmunternd zu.
    »Sind das die Kunden mit der Pferdedecke?«, fragte sie mich, als wären die Leute taubstumm.
    »Ja«, antwortete ich. »Sie wollen gerade gehen.«
    »Herr Simmel hat mich darüber informiert«, erklärte die Stattelmann. »Das geht aber nicht so einfach mit der Umtauscherei hier, hat Ihnen das denn keiner erklärt?«
    »Das regeln wir gleich, wenn ich die Herrschaften an die Pforte gebracht habe«, sagte ich verzweifelt lächelnd. »Ich habe die betreffenden Rechnungen, Lieferund Auftragsscheine nebenan im Ordner.«
    »Ja, aber so geht das nicht mit einem Umtausch, Frau - äh - Trost. Auch wenn Sie neu sind: Dafür können Sie nicht einfach neue Regeln aufstellen.«
    »Nicht jetzt, Frau Stattelmann«, sagte ich flehend.
    »Ich bin gleich wieder da.«
    »Da kann ja am Ende jeder kommen«, sagte die Stattelmann und musterte meine beiden Araber, als habe sie ihren Steckbrief bereits an jeder Litfaßsäule hängen sehen.
    Ihr Blick blieb an dem blauen Führstrick haften.
    »Was ist das?«, rief sie empört.
    »Ein Führstrick«, erklärte ich. »Den verrechnen wir einfach mit der Gutschrift für die Decke. Aber das machen wir gleich, ja?«
    »Ein Führstrick? Einfach so, ohne Rechnung? Ja, glauben Sie denn, Sie könnten unsere Waren hier verschenken, wie Sie gerade lustig sind?«
    Es war hoffnungslos. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Stattelmann bis auf weiteres zu ignorieren, denn ich sah ganz deutlich, dass Herrn Nabadidis Schnurrbart unheilvoll zu beben begann.
    Kurz entschlossen schob ich ihn und seine Tochter weiter vorwärts.

    »So geht das nicht!«, rief die Stattelmann hinter uns her. »So nicht!«
    »Sehr unhöfliche Person«, sagte Herr Nabadidi mit bebendem Schnurrbart.
    »Ihr Mann ist vor einem Monat verstorben«, log ich spontan. »Seitdem ist sie nicht mehr die alte.«
    »Vielen Dank für Ihre freundliche Betreuung«, meinte Herr Nabadidi und schüttelte mir die Hand.
    »Sie sind wirklich eine Bereicherung für dieses Unternehmen.«
    Leider war nur Frau Hellmann von der Pforte Zeuge dieser Worte. Ich war trotzdem glücklich. Als die Araber durch die Drehtüre verschwunden waren, lächelte ich Frau Hellmann an.
    »Das habe ich gut gemacht«, sagte ich zu ihr, mich ganz an Beates Rat haltend, dass man sich in dieser Firma immer selber loben musste. Ohne eine Bestätigung abzuwarten, rannte ich wieder die Treppe hinauf, kopierte in Windeseile die entsprechenden Lieferscheine, Rechnungen und Auftragsformulare, die unglückselige Decke betreffend, und eilte damit in Frau Stattelmanns Büro.
    Sie musterte mich sehr kühl von oben bis unten, so wie eine erboste Lehrerin einen unartigen Schüler mustert.
    »Ich glaubte, ich hätte Hazinullationen«, sagte sie, und ich wusste sofort, dass sie damit keine verschärften Niesanfälle meinte. »Verschenken hier einfach Waren. Ich glaube es Ihnen wohl.«
    »Das ist alles ein wenig kompliziert«, sagte ich, immer noch glücklich

Weitere Kostenlose Bücher