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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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tränenüberströmt. Sie sah trotzdem reizend aus. Zu ihren Füßen hockten Jürgen und Erik, beiden stand Mitleid und Sorge ins Gesicht geschrieben. Jürgen streichelte Britts linke Seite, Erik ihre rechte.
    »Ach, du bist das!«, sagte Jürgen, als er meiner ansichtig wurde.
    »Felicitas!« Erik sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Immerhin wusste er noch meinen Namen.
    »Britt ist wieder eingezogen«, erklärte mir Jürgen überflüssigerweise.
    »Nur vorübergehend«, schniefte Britt. »Bis Bertold mir eine neue Wohnung gesucht hat.«
    »Der Sohn von ihrem Professor hat hier einen Stu-dienplatz gekriegt«, ergänzte Erik. »Und jetzt möchte die Frau vom Professor, dass er das Apartment kriegt.«
    »Die ist ja so gemein! Immer muss er tun, was sie will«, schluchzte Britt. »Wo ist mein Teddy? Ich brauche meinen Teddy.«
    Erik und Jürgen sprangen beide auf.
    »Erik soll ihn holen«, bestimmte Britt schniefend.
    Jürgen fügte sich sofort. »Ein heißer Tee würde dir jetzt auch gut tun«, sagte er und eilte in die Küche.
    »Mir auch«, murmelte ich.
    Britt betrachtete mich unwillig. »Es gibt Leute, die merken einfach nicht, wenn sie stören«, sagte sie.

    Erik legte ihr den Teddy in die Arme. »Felicitas ist gekommen, um den Mietvertrag zu unterschreiben.
    Wir konnten ja nicht wissen, dass das mit dem Apartment nicht klappt.«
    »Oh«, seufzte Britt, und ihre Tränen begannen wieder zu fließen. »Das konnte ich ja auch nicht wissen. Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, wie ich mich fühle?«
    »Es ist besser, wir bringen sie nach oben in ihr Bett«, meinte Jürgen, zurück aus der Küche. »Sie ist ja völlig fertig.«
    Britt hängte sich bereitwillig schluchzend an seinen Arm.
    »Du kannst den Tee nachbringen, Erik«, sagte Jürgen und führte Britt aus dem Zimmer. An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
    »Du hättest sowieso nicht hierher gepasst«, sagte sie zu mir.
    Erik lächelte mich verlegen an. »Ich finde das nicht«, meinte er. »Ich hatte mich schon auf deinen Einzug gefreut, ehrlich. Aber wir konnten Britt schließlich nicht einfach vor die Tür setzen.«
    Ich sagte nichts, mich wieder mal ganz an die weisen Ratschläge aus dem Volksmund haltend: Ein Blick sagt mehr als tausend Worte, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, und Dummheit und Stolz sitzen auf einem Holz.
    »Weißt du«, fuhr Erik fort, »ich finde das hier alles auch nicht immer gut. Aber ich kann ja schlecht alle rausschmeißen.«
    Warum eigentlich nicht? Ich an seiner Stelle hätte es jedenfalls längst getan. Unaufgefordert strebte ich der Haustür zu. Erik folgte mir.

    »Du bist uns doch nicht böse, oder?«
    »Nö«, sagte ich. Britt hatte ja Recht, ich hätte ohnehin nicht hierher gepasst. Der einzige Grund, der für einen Einzug gesprochen hatte, war Erik gewesen. Aber der war, ehrlich gesagt, von himmelschreiender Einfältigkeit. Ich betrachtete Britts Besitztümer an der Flurwand. Sie schienen mir nicht ganz vollzählig.
    »Wo ist denn dein CD-Player?«, erkundigte ich mich.
    »Er ist noch in dem Apartment. Britt sagt, der Professor sagt, sein Sohn könne ihn sicher gut gebrauchen. Von mir aus kann er ihn vorerst behalten. Ich habe sowieso kaum Zeit zum Musikhören.«
    »Bist du bescheuert?«, entfuhr es mir.
    »Es tut mir echt Leid«, sagte Erik.
    Mir tat es auch Leid. So wie es aussah, stand meinem Rückzug ins Kinderzimmer nun nichts mehr entgegen.
    Ich brachte dennoch ein Lächeln zu Stande. »Dann fahr' ich jetzt mal. Wiedersehen.«
    »Wiedersehen.« Erik öffnete mir die Tür. Dann räusperte er sich.
    »Ähm, Felicitas.«

Hoffnungsvoll blieb ich stehen.
    »Erik!«, schrie Britt von oben. »Mir geht es soooo schlecht. Ich brauch' dich jetzt. Lass mich nicht allein! Bitte!«
    »Ich komme!«, rief Erik. Schon halb auf dem Weg nach oben, drehte er sich noch einmal zu mir um.
    »Ich ruf dich an«, sagte er, und es klang beinahe fröhlich.
    Am nächsten Morgen kam Kernig zeitig in unser Büro gestürzt, grußlos wie immer.
    »Guten Morgen, Herr Kernig«, rief ich. Ich brannte nur
    so darauf, ihm zu erzählen, wie wunderbar ich die Sache mit den stinkreichen Arabern und der Pferdedecke gemanagt hatte. Die Karriere war alles, was mir geblieben war.
    Aber Kernig war furchtbar in Eile.
    »Wo ist der Ordner mit den ganzen Dings?«, fragte er.
    Ich zog hilflos die Achseln hoch. »Mit was?«
    Kernig öffnete den Aktenschrank und murmelte:
    »Der Dings-Ordner, Sie wissen schon. Es ist dringend, ich habe den

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