Die Laufmasche
alles beim Alten«, sagte Erik, was immer das auch heißen mochte. »Es könnte gut sein, dass der Sohn von Britts Professor sich für ein Studiensemester an der California University entscheidet, und dann kann Britt doch in das Apartment ziehen. Jedenfalls für ein Jahr. Du könntest also wieder ...«
»Nein, danke«, entgegnete ich kühl. »Ich suche keine
Bleibe für ein Jahr. Außerdem habe ich bereits eine bessere Wohnung in Aussicht.«
Erik machte eine kleine Pause. »Tja«, meinte er dann. »Das ist schade, aber ich kann es verstehen.
Ich wollte dir auch noch sagen, dass ich mir meinen CD-Player zurückgeholt habe. Du hattest Recht, ich war wirklich bescheuert.«
»Ja«, sagte ich. Wenn's nur der CD-Player gewesen wäre.
»Vielleicht hast du ja Lust
»Erik!« hörte ich eine empörte weibliche Stimme im Hintergrund rufen. »Es ist nach neun.«
»Tatsächlich? Ich hatte gar nicht auf die Uhr gesehen«, sagte Erik. »Entschuldige, Felicitas, aber Freitagabend zwischen neun und elf muss die Leitung immer frei sein. Falls Britts Professor anruft.
Ich melde mich in den nächsten Tagen noch mal bei dir, einverstanden?«
»Okay«, sagte ich, aber als er aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich ab morgen ja nicht mehr unter dieser Nummer zu erreichen war. Der Arme würde sich die Finger wund wählen.
Ich rief sofort zurück, um das zu verhindern.
»Ja, hallo«, hauchte jemand in den Hörer. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich der Vermutung erlegen, bei einer Telefonsexgesellschaft gelandet zu sein.
»Hallo, Felicitas Trost hier. Ich hätte gern kurz mal mit Erik gesprochen.«
»Das geht jetzt nicht«, sagte Britt kurz angebunden. »Ich erwarte einen wichtigen Anruf.«
Und damit legte sie einfach auf. Als ich es später noch einmal versuchte, war besetzt.
Mein Vater hatte einen Lastwagen gemietet, in den meine Habseligkeiten viermal hineingepasst hätten.
Mit dem Ding stand er um halb neun morgens vor der Haustüre. Ich war längst wach und bereit. Das Telefon hatte mich rechtzeitig geweckt.
»Ja, guten Tag, hier ist Simone. Ist Ihr Sohn da?«
Simone. Samstagmorgen. Pünktlich um halb acht.
Zum letzten Mal.
»Guten Morgen, Simone«, sagte ich freundlich.
»Kann ich bitte den Mike sprechen?«
»Sofort. Aber bitte sag mir vorher noch, wie ich aussehe. Bin ich dick? Braun oder blond? Habe ich Dauerwellen? Trage ich Steghosen und
Lurexpullover? Benutze ich türkisfarbenen Lidschatten?«
»Was?«
»Bitte leg jetzt nicht auf, Simone. Es ist wirklich wichtig für mich. Heißt mein Mann Manni? Sitzt er im Unterhemd vor der Sportschau und trinkt Bier aus der Dose? Haben wir einen Schäferhund? Simone?«
Aber Simone hatte aufgelegt. Einfach so. Jetzt würde ich nie erfahren, wie mein Schäferhund hieß.
Till, Robert und Nina kamen ebenfalls zum Helfen, und bis elf Uhr vormittags war die Wohnung leergeräumt. Mein Vater fuhr mit dem Lastwagen und Robert nach Hause, und Nina musste Kristin bei ihrer Schwiegermutter abholen.
Till blieb mit mir, Rothenberger und dem Katzenklo in der leeren Wohnung zurück. Er spachtelte die Krater in der Bettzimmerwand zu, die beim Herunterbrechen des Regals entstanden waren.
»Wie gut, dass ich das Regal nicht wieder angedübelt hab'«, meinte er zufrieden. »Das wäre doch wirklich umsonst gewesen.«
»Wie geht es deiner Freundin?«, fragte ich.
»Welcher?«, fragte Till zurück.
»Der zweiundzwanzigjährigen Jurastudentin mit den langen blonden Locken und der wundervollen Lasagne.«
»Ach der«, sagte Till leichthin. »Die ist nicht mehr aktuell.«
»Das tut mir aber Leid«, meinte ich. »Sie hatte so einen schönen Namen.«
»Ach, die wird das schon verschmerzen, so jung wie die ist.«
»Du hast Schluss gemacht, nicht die?«, fragte ich ungläubig. »Aber warum?«
»Sie wollte, dass ich endlich mit meiner Diplomarbeit anfange«, erklärte Till.
»Eine Zumutung! Wo du doch erst im neunzehnten Semester bist. Mit der hätte ich auch Schluss gemacht.«
»Und dann hat sie gesagt, dass sie mich liebt!«
»Das wird ja immer schlimmer. Wie kann man nur so was Widerliches zu seinem Freund sagen? Du Armer!«
»Außerdem gibt es da noch eine andere«, fügte Till hinzu. »Viel reifer als Daria.«
»Wie reif?«
»Dreiundzwanzig. Und echt süß.«
»Ich hasse dich«, sagte ich. Meine Eltern feierten meine Heimkehr mit einer Maraschinotorte, meinem Lieblingskuchen. Sie taten so, als wäre ich für immer nach Hause gekommen.
»Wenn du möchtest,
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