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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Brust. »Was nimmst du, Hut oder Krone?«
    Die Verkäuferin besann sich auf ihre Aufgabe, klappte den Mund zu und verpasste Beate ein Glitzerhütchen mit einem pinkfarbenen Schleier.
    »Perfekt«, behauptete sie, aber Beate war noch nicht überzeugt.
    Während ich mich vor dem Spiegel mit meiner Krone
    drehte und wendete, schritt sie mit raschelnden Röcken die Regale ab.
    »Meine Schwester wäre ja bei der Geburt ihrer Tochter beinahe gestorben«, erzählte ihr die Verkäuferin. »Das ist jetzt vier Jahre her. In der Uniklinik. Ein Doktor Würger oder Würfel oder so.
    Was der sich da geleistet hat, das grenzt an ein Wunder, sage ich immer.«
    »Das ist es!«, schrie Beate und hielt triumphierend einen Goldhelm mit zwei riesigen Hörnern in die Höhe.
    »Das ist ein Wikingerhelm«, erklärte die Verkäuferin leicht pikiert. »Die Barbarenkostüme hängen nebenan.«
    Beate setzte sich den Helm auf den Kopf. »Das ist komisch«, rief sie. »Den nehme ich.«
    Die Verkäuferin guckte befremdet. Ich lachte.
    Beate hatte recht. Das war komisch. Ich warf meine Krone auf den Haufen zu ihresgleichen und wollte auch den Helm anprobieren. Bei mir sah er noch besser aus, weil er wie das Kleid ganz in Gold und Weiß gehalten war. Ich strahlte mein Spiegelbild beglückt an. Mit der kriegerischen Kopfbedeckung, den zwei Kuhhörnern und dem stramm sitzenden Kleid sah ich aus wie eine germanische Prinzessin.

Eine sehr wehrhafte germanische Prinzessin.
    »Brunhilde!«, schrie ich. »Ich bin Brunhilde!«
    »Das ist mein Helm«, quengelte Beate. »Ich habe ihn zuerst gesehen.«
    »Der ist auch nur einmal da«, sagte die Verkäuferin streng. »Aber wenn Sie denn unbedingt einen Helm wollen, wie wäre es mit dem hier?«
    Sie hielt uns einen Helm mit weißen Flügelchen und dünnen, roten Zöpfchen hin. Da sie Beate für eine Ärztin hielt, hatte sie sich wohl entschlossen, großzügig über deren Marotten hinwegzusehen.
    -Der ist komisch«, rief ich eifrig. »Nimm den.«
    Beate setzte das Ding auf und schaute in den Spiegel. »Nein«, meinte sie. »Der andere stand mir besser.«
    »Aber darauf kommt es doch nicht an«, sagte ich flehentlich. »Hauptsache, es ist komisch.«
    »Dann tauschen wir«, schlug Beate vor und hielt mir den Geflügelten hin. Aber den wollte ich nicht.
    Der Kuhhelm war wie für mich gemacht. Die Verkäuferin suchte fieberhaft nach einem ähnlichen Helm für die Frau Doktor. Schließlich fand sie den gleichen noch einmal. Aber mit nur einem Horn. Wo das andere gesessen hatte, war ein rundes Loch.
    »Leider«, sagte sie bedauernd und wollte ihn wieder weglegen.
    »Warten Sie«, rief Beate und riss ihr das Ding aus der Hand. »Her mit dem Einhorn!« Sie schob sich das Horn in die Stirn und stopfte ihre Haare durch das Loch auf dem Hinterkopf. Es sah so richtig schön bescheuert aus.

    »Lustig«, rief ich und überlegte, ob ich vielleicht doch den Brunhildenhelm gegen den Einhörnigen tauschen sollte. Aber Beate wollte den Helm behalten.
    »HORNröschen«, schrie sie. »Ich bin
    Hornröschen!«
    Ich lachte. Die Verkäuferin nickte zufrieden.
    »Was meinen Sie denn jetzt?«, fragte sie. »Kann ich das Aspirin ruhig zusammen mit den Antibiotikums nehmen?«
    »Nein«, sagte Beate streng. »Das Antibiotikum müssen sie mindestens sechs Tage regelmäßig durchnehmen. Bei frühzeitiger Absetzung kann es zu schlimmen Rückfällen kommen!«
    Die Verkäuferin lächelte dankbar. Na bitte, Antibiotikums, Brunhilde und Hornröschen, für jeden etwas!

Die dreizehnte Gelegenheit
    WEIL MEINE ELTERN pünktlich am zwanzigsten Dezember mit Oma in die Schweiz aufbrechen wollten, war mein Umzug auf das Wochenende davor verlegt worden. Am letzten Abend in der Wohnung leerte ich ganz allein eine Flasche Sekt, die in keiner der Umzugskisten mehr Platz gefunden hatte. Als die Flasche leer war, trat ich hinaus auf den Balkon und rätselte, ob es gelingen könnte, sich von hier in den Tod zu stürzen. Da ich im ersten Stock wohnte, kam ich zu dem Schluss, dass ich schon kopfüber springen müsste, um erfolgreich zu sein. Und auch dann konnte es bei meiner derzeitigen Glückssträhne passieren, dass ich bis zum Hals in aufgeweichter Erde steckte, völlig unverletzt. Ich überlegte, ob Frau Kellermann aus dem obersten Stock mir wohl erlauben würde, mich von ihrem Balkon zu stürzen, als das Telefon klingelte.

Es war Erik.
    »Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht«, sagte er. »Gut, und selbst?«, fragte ich zurück.
    »Hier ist wieder

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