Die Laufmasche
Marius.
Das Spiel war nicht besonders schwierig, jedenfalls nicht für die ersten im Kreis.
»Ich bin der Bert und bin mit meinem Badmobil gekommen«, sagte der schwangere Mann.
»Das ist der Bert, der ist mit dem Badmobil gekommen«, fuhr der Mann neben ihm fort. »Und ich heiße Hartmut und bin mit meiner Harley hier.«
Und so ging es weiter. Als ich an der Reihe war, hatte sich der Schwierigkeitsgrad schon enorm gesteigert. Aber ich bin gut in solchen Spielen.
»Das ist der Bert, der ist mit dem Badmobil gekommen, Hartmut mit seiner Harley und Marius mit dem Manta«, fasste ich flüssig zusammen. »Jürgen« -
ausgerechnet! - »ist mit dem Jaguar gefahren, Wiebke mit dem Wagen, und Erik hier ist passenderweise auf einem Esel hergeritten. Und ich bin die Felicitas und mit dem Feuerwehrauto gekommen.«
Wir spielten noch andere peinliche Spiele, aber anschließend durfte getanzt werden. Ich tanzte ein paar wilde Rolling-Stones-Nummern mit Marius und Hartmut mit der Harley, und dabei verlor ich meinen Helm. Erik beobachtete von der anderen Seite des Raumes, wie ich mein glitterbesprühtes Haar schüttelte. Er schien mich überhaupt nicht mehr aus den Augen zu lassen.
»Wo ist denn Britt?«, fragte ich Wiebke interessehalber, als ich ihr aus Versehen auf den roten Pumuckl- schuh tanzte.
»Die findet Kostümfeste kindisch«, antwortete sie.
»Außerdem ist sie heute mit Babysitten dran.«
»Aha«, sagte ich und warf mein güldenes Haar in den Nacken. Ich sah dabei mein Spiegelbild in der Fensterscheibe und konnte nicht umhin, mich wunderschön zu finden. Ein bisschen bescheuert in diesem Kostüm, aber wunderschön. Als dann passenderweise You are so beautiful gespielt wurde, legte Erik von hinten seine Hand auf meine Schulter.
»Jetzt wir«, sagte er, und wir schoben einen guten, alten Klammerblues aufs Parkett, wie zu besten Klassenfe- tenzeiten. Wahnsinnig aufregend, wenn man nicht mit einem pickligen, nach Pubertätsschweiß riechenden Jungen tanzen musste, dessen Segelohren sich früher oder später in den eigenen Haaren verfingen. Mit Erik war es toll.
Er roch nach »Face ä Face« und ein bisschen nach Mottenkugeln, und von seinen Ohren hatte ich nichts zu befürchten. Sein Helm lag in harmonischer Eintracht neben meinem auf der Fensterbank. Noch bevor Joe Cocker zu Ende war, hatte ich alle meine Zweifel und vagen Vorsätze bezüglich Erik über den Haufen geschmissen. Ich verharrte so lange wie möglich in seiner Umarmung. Ihn schien es nicht zu stören.
»Draußen schneit's«, sagte irgendwann später jemand neben uns.
Erik lächelte mich an. »Ich wusste, dass heute Abend etwas Besonderes geschehen würde.«
Ja, das war wirklich unfassbar! Nach all den Wochen hatte es endlich aufgehört zu regnen! Der Rest der Party ging vollständig an mir vorüber. Erik und ich stellten uns in eine Ecke und redeten und redeten. Es ist unglaublich, wie viel man zu bereden hat, wenn man sich nicht kennt.
Gegen drei Uhr registrierte ich so ganz nebenbei, dass es allmählich leerer im Zimmer geworden war.
Meister Eder und sein Pumuckl beobachteten uns seit geraumer Zeit verstohlen, trauten sich aber nicht näher, solange wir so offensichtlich in ein intensives Gespräch verwickelt waren.
Erst als wir immer längere Pausen einlegten, um einander tief in die Augen zu schauen, entschloss sich Jürgen, uns zu stören.
»Erik? Wir wollten jetzt eigentlich nach Hause fahren.«
»Jetzt schon?«, fragte Erik entsetzt.
Jürgen drehte sich zu Pumuckl um. »Wiebke ist müde.«
»Müde?«, wiederholte Erik ungläubig.
»Es ist gleich vier Uhr«, sagte Jürgen. »Die meisten sind schon nach Hause gegangen. Ich bin auch müde.«
Erik seufzte. »Ihr könntet meinen Wagen nehmen und ohne mich nach Hause fahren«, schlug er dann vor.
»Damit du später mit dem Taxi fahren musst? Nicht gerade ein Beitrag zum Umweltschutz!«
»Egal«, sagte Erik.
»Ich könnte dich nachher mit meinem Auto nach Hause bringen«, schlug ich vor.
»Von mir aus.« Jürgen gähnte. »Ich nehme mir den Autoschlüssel aus deiner Jacke.«
Erik sah ihm nicht hinterher. Wir waren zwei Stunden später die Letzten, die gingen. Marius lag schlafend auf dem Sofa und sah und hörte nichts mehr. »Ihr könnt gerne noch bleiben«, sagte Beate gähnend. Sie war ohne Kostüm und abgeschminkt.
Ich fragte mich, wann sie das gemacht hatte.
»Vielen Dank«, flüsterte ich in ihr Ohr. »Für alles!«
Draußen lag tatsächlich Schnee, gerade so viel, um die
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