Die Laufmasche
alle fünf Minuten woanders hinzurennen.
Mir persönlich steht dieses Gemecker über das angeblich untaugliche Computerprogramm nämlich schon bis hier. Warum stürzt bei mir denn der Computer nur einmal in zehn Jahren ab, haben Sie vielleicht darüber mal nachgedacht?«
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Frau Daubenbüschel und ich tauschten einen verwirrten Blick. Nein, darüber hatten wir bis jetzt noch nicht nachgedacht.
»Ich will es Ihnen gerne sagen«, erbot sich die Stattelmann. »Weil ich offensichtlich einen höheren Indifferentquotienten besitze als Sie alle zusammen!«
Und mit diesen rätselhaften Worten rauschte sie in ihr eigenes Büro.
»Wusstest du, dass die Stattelmann hier als Einzige einen hohen Indifferentquotienten hat?«, fragte ich Beate.
»Das habe ich immer schon geahnt«, antwortete sie.
Ich ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und loggte mich in den Computer ein.
»Du bist später dran als sonst«, stellte Beate fest.
»Ich bin verliebt«, sagte ich. »Aber ich Schaf habe wieder vergessen, ihm meine Telefonnummer zu geben.«
»Ich kann dir aber was Schönes sagen«, meinte Beate, und vor lauter Hoffnung begann mein Herz schneller zu schlagen.
In diesem Augenblick erschollen laute Stimmen auf dem Flur. Beate und ich tauschten einen Blick und standen dann in stillem Einverständnis auf, um nicht zu verpassen, was sich da draußen abspielte.
In Kernigs offener Bürotüre stand Frau Daubenbü-
schel, dahinter die Stattelmann. Beide sahen Kernig an, der vermutlich hinter seinem Schreibtisch saß.
»Das ist Behinderung meiner Arbeit«, rief Frau Daubenbüschel. »Frau Stattelmann ist verpflichtet, mir zu helfen, wenn der Scheiß-Computer abstürzt.«
»Das ist heute schon das zweite Mal, dass ich der helfen muss. Das nenne ich Behinderung meiner Arbeit«, sagte die Stattelmann.
»Aber, meine Damen«, ertönte Kernigs Stimme aus dem Inneren seines Büros. »Muss das denn sein?
Kaum bin ich aus dem Urlaub wieder hier, gibt es Ärger.«
»Jetzt hören Sie mal, Sie -«, sagte die Daubenbüschel, und Beate stieß mich freudig in die Rippen. »Ich will ja arbeiten, aber da hier nun mal das hirnrissige Computerprogramm installiert ist, zu dessen Kennwörtern mir der Zugang verwehrt ist, muss die beschränkte Stattelmann die Sache eben wieder in Gang bringen, ob sie das will oder nicht!«
»Ich glaub', ich werd' nicht mehr«, schrie die Stattelmann. »Soll ich Ihnen mal was sagen? Ich bin schon hier gewesen, da waren Sie noch im Kindergarten ...« - diesmal stieß ich Beate in die Rippen - »... und ehe ich mir von einer wie Ihnen was sagen lasse, fließt der Rhein flussabwärts!«
»Meine Damen«, brummte Kernig aus seinem Büro. »Können Sie das denn nicht untereinander regeln? Wenn ich etwas hasse, dann sind das Weiberstreitigkeiten!«
Die Stattelmann warf ihren blonden Strohkopf in den Nacken. »Meine Idee war das nicht, dich zu belästigen, Klaus. Von meiner Seite aus ist alles klar. Ich habe noch zu arbeiten.«
»Na, also«, seufzte Kernig. »Dann darf ich Sie jetzt ebenfalls bitten, wieder an Ihre Arbeit zu gehen, Frau Daubenbüschel.«
Frau Daubenbüschel sah aus, als würde sie gleich platzen.
»Wie denn, bitte schön, Sie Blödmann?«, rief sie.
»Haben Sie immer noch nicht kapiert, dass mein Computer abgestürzt ist und ich nicht arbeiten kann?«
»Sie vergreifen sich sowohl im Ton als auch in der Wörtwahl«, ließ sich Kernig aus seinem Büro hören.
»Ich möchte Sie jetzt ein letztes Mal bitten, wieder an Ihre
Arbeit zu gehen. Wenn Sie Probleme mit dem Computer haben, wenden Sie sich an Frau Stattelmann. Damit habe ich nichts zu tun.«
Frau Daubenbüschel ballte die Hände zu Fäusten.
Die Wut raubte ihr beinahe die Stimme. Mit schier unglaublicher Anstrengung presste sie hervor: »Ich habe nicht mehr Probleme mit dem Computer als jeder andere hier. Aber ich habe Probleme mit der Stattelmann. Und es ist Ihre verdammte Aufgabe, die Alte zur Raison zu bringen.«
»Na, na, liebe Frau Daubenbüschel«, kam Kernigs Stimme von innen. »Jetzt beruhigen Sie sich erst mal, und dann gehen Sie zu Frau Stattelmann und bitten sie noch mal ganz freundlich, Ihnen aus der Patsche zu helfen. Sie wissen doch, der Ton macht die Musik.«
Jetzt sah die Daubenbüschel aus, als habe Kernigs letztes Stündlein geschlagen. Ich spürte, wie sich Beates Muskeln anspannten, ich war mir nicht sicher, ob sie der Daubenbüschel beistehen oder im Notfall eingreifen wollte, um Kernig zu beschützen. Aber
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