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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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tatsächlich so war, dass ich in nächster Zeit arbeitslos würde, dann konnte ich ohnehin nichts daran ändern.
    Jedenfalls würde es nichts nützen, mir das Wochenende damit zu verderben. Es war ganz gegen meine Gewohnheit, sich über ungelegte Eier aufzuregen.
    Vogel-Strauß-Politik, Problemnegierung und Realitätsflucht nannte Nina das, aber sie hatte schließlich Architektur studiert und nicht Psychologie. Ich hielt mich besser an die weisen Ratschläge aus dem Volksmund. Du sollst erst schreien, wenn es wehtut, gieße das Kind nicht mit dem Bade aus, ein Unglück kommt selten allein, und wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich's Wetter, oder es bleibt, wie es ist.
    Später klingelte das Telefon erneut. Diesmal war es Till. Er müsse den ganzen Tag Taxi fahren, sagte er mit weinerlicher Stimme, und ob ich ihm einen Gefallen tun könnte.
    »Nee«, sagte ich sicherheitshalber.
    »Es ist aber wichtig!«, flehte Till. Im Kaufhof gäbe es nämlich ein Supersonderangebot,
    Markenskihandschuhe mit Neoprenoberflächen und extralangen Stulpen, und das Angebot sei so sensationell günstig, dass die Menschen sich darauf stürzen würden wie die Geier. Und da er den ganzen Tag im Taxi festsitze, solle ich mich doch bitte, bitte unter die Geier mischen und ein Paar für ihn ergattern, in Blau, wenn's ginge.
    »Du hast dann auch einen Gefallen bei mir gut«, setzte er hinzu.
    »Das wäre dann der Zweihundertundzehnte«, sagte ich.
    »Ja, und wer hat dir neulich das Regal angedübelt?«
    »Und wer hat dich dafür zum Essen eingeladen, deine Hemdenknöpfe angenäht und das Referat abgetippt?«, fragte ich zurück. »Aber gut, ich hol' dir die verdammten Handschuhe, ich muss sowieso noch zum Einkaufen, wenn ich nicht verhungern will.«
    In der Innenstadt war trotz des miesen Wetters die Hölle los, als habe das Weihnachtsgeschäft bereits begonnen. Erst in der obersten Etage meines Stammparkhauses fand ich eine Lücke. Tills Handschuhe lagen, entgegen seiner Prophezeiung, in großen Haufen in einer völlig menschenleeren Ecke der Sportabteilung, und dort würden sie vermutlich auch bis zum Winterschlussverkauf vollzählig liegen bleiben, bis auf das eine Paar, das ich für Till kaufte. In Anbetracht meiner bevorstehenden Arbeitslosigkeit verzichtete ich darauf, mir noch andere Sachen anzuschauen oder gar zu kaufen, und stand zehn Minuten später wieder vor dem Parkscheinautomaten. Unmittelbar hinter mir kam noch jemand ins Parkhaus, stellte sich vor den zweiten Automaten und begann, synchron mit mir, Karte und Münzen einzuschieben.
    Ein Seitenblick verschaffte mir eine sensationelle, atemberaubende Erkenntnis: Mein
    Parkautomatennachbar war der grünäugige Pannenmann von gestern Abend!
    Und wie gut er im Neonlicht des grauen Parkhauses aussah! Vor lauter Überraschung und Freude ließ ich einen Groschen auf den Boden fallen. Da wandte er sich zur Seite und sah auch mich an. Allerdings schien er sich nicht an mich zu erinnern, denn er drehte sich sofort wieder um und begann, seine Münzen noch schnei-ler einzuwerfen. Ich hob meinen Groschen auf, und stumm traten wir in eine Art Wettbewerb ein. Wer zuerst die Parkkarte erhielt, wer zuerst die Tür öffnete, wer zuerst oben war. Schulter an Schulter hasteten wir die Treppe hinauf, Stockwerk für Stockwerk. Er hatte wohl offenbar ebenfalls in der sechsten Etage geparkt. Hier oben gab es zwei Türen auf das Parkdeck hinaus, ich entschied mich für die linke, mein Gegner für die rechte. Gleichzeitig packten wir den Türgriff, aber hier hatte Grünauge Pech. Seine Tür klemmte, er musste noch mal nachrucken und stand so mindestens zwei Zehntelsekunden nach mir auf dem Parkdeck.
    »Gewonnen«, sagte ich atemlos.
    Der Grünäugige lachte. »Ich hatte aber schwerer zu tragen«, sagte er und deutete auf seinen Rucksack. Dann wurde er ernst und musterte mich gründlich. Ich spürte, wie ich rot wurde, denn sicher würde ihm gleich einfallen, dass ich die mit der Laufmasche war.
    »Kennen wir uns nicht irgendwoher?«, fragte er jetzt und wurde ebenfalls rot. Das war abep auch ein blöder Satz.
    Ich war kurz davor, ihm zu erklären, dass Natalies Geschichte von meiner Entjungferung auf dem Damenklo pure Erfindung war, aber ich hatte Angst, die ganze Sache noch peinlicher zu machen, als sie ohnehin schon war. Stattdessen schüttelte ich den Kopf. Immerhin brachte ich dabei ein Lächeln zu Stande.
    Der Grünäugige war immer noch rot. »Ich dachte nur«, sagte er und stotterte ein

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