Die Launen des Todes
auf und sagte: »Nein, ich bin heftig hetero, Mr. Dalziel. Aber das werden Sie mir schon glauben müssen.«
»Da hab ich Sie wohl falsch eingeschätzt, was? So geht’s mir immer. Trotzdem weiß ich vorher ganz gern, worauf ich mich einlasse. Weiter mit Ihrer Geschichte.«
»Es gibt nichts mehr zu erzählen. Auf den Bändern, die ich von ihr habe, ist manchmal ein Schluchzen zu hören, manchmal ging sie nachts in ihrer Wohnung auf und ab. Und manchmal redete sie mit sich selbst, sprach mit ihrem toten Bruder, war häufig wütend dabei, als würde sie ihm die Schuld geben, dass sie so unglücklich ist. Und zu Hat, immer voller Liebe, voll des Bedauerns und der Entschuldigung. Eher wie jemand, der vorhat, Abschied zu nehmen, nicht wie jemand, der zu der Person spricht, mit der er sein restliches Leben teilen will. Aber das war vor …«
»Vor was?«
Sie leerte ihr Whiskyglas, füllte es auf, leerte es erneut.
»Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, Ihnen das zu erzählen, ich glaube nicht, dass ich es Ihnen erzählen könnte, wenn ich noch länger hier bleiben würde. Schließlich hält sie mich für ihre Freundin – für die ich mich ebenso halte oder jedenfalls glaube, dass ich es bin, weshalb ich abreise und sie nie mehr sehen werde und weshalb ich auch mein Versprechen breche, das ich ihr gegeben habe.«
»Langsam, langsam, Liebes«, sagte Dalziel. »Dieser Scotch steigt euch Deutschen zu Kopf. Mit dem Vertrauensbruch ist es wie mit dem Abziehen eines Pflasters. Es gibt nur eine Möglichkeit, es muss mit einem Ruck geschehen.«
Sie nickte, atmete langsam ein und sagte: »Am Montag war sie im Krankenhaus und hat sich untersuchen lassen. Sie hat einen Gehirntumor. Sie wird sterben.«
»Fick mich doch, bis ich versteinere, und verscheuer mich an die Tate!«, rief Dalziel aus, der ein halbes Dutzend Möglichkeiten im Kopf durchgespielt hatte, ohne der Lösung auch nur nahe zu kommen. »Man kann nichts dagegen tun?«
»Sie will nicht, dass man was dagegen tut«, sagte Richter.
»Scheiße. Jemand muss mit ihr reden«, sagte der Dicke aufgewühlt. »Heutzutage kann man doch alles kurieren, von Maul- und Klauenseuche und Politikern mal abgesehen. Weiß Bowler schon davon?«
»Keiner weiß davon. Nur ich. Und Sie jetzt. Was jetzt zu tun ist, liegt nun also in Ihrer Verantwortung, nicht mehr in meiner. Deshalb bin ich froh, dass ich abreise. Mein Job, den ich nie hätte annehmen dürfen, ist getan. Ich kann mich wieder meiner richtigen Arbeit zuwenden.«
»Sie können abhauen, meinen Sie, und das arme Mädel mit ihrem Leid allein lassen, nachdem Sie sich ihr Vertrauen erschlichen haben? Mein Gott! Was man über euch Drecksäcke erzählt, ist doch noch nicht mal die Hälfte der Wahrheit!«
Seine Verachtung berührte sie nicht.
»Sie irren sich, Superintendent. Wenn sie so unglücklich wäre, wie ich es an ihrer Stelle wäre, könnte ich kaum so leicht abreisen. Nein, was mir den Abschied ermöglicht, ist die Tatsache, dass die Neuigkeiten sie nicht völlig aus der Bahn geworfen haben, im Gegenteil, sie ist glücklich! Es ist, als wäre sie mit der Erwartung ins Krankenhaus gegangen, dass man ihr Krebs bescheinigen würde, aber stattdessen hat man ihr gesagt, dass sie frei sei! Ich kann Verzweifelte trösten. Aber ich kann nicht jemanden, der voller Freude ist, in die Verzweiflung treiben. Ich glaube, ich habe jetzt alles gesagt, was ich Ihnen sagen wollte, Superintendent.
Auf Wiedersehen
, aber nicht sofort, was?«
Dalziel trank sein Glas aus. »Nur eins noch, bevor ich gehe. Wenn Sie nichts dagegen haben, dann ziehen Sie dieses Hemdchen aus oder wie Sie es nennen wollen …«
Sie sah ihn an, wirkte verwirrt, lächelte dann, stand auf und zog das T-Shirt über den Kopf.
»Drehen Sie sich um«, sagte er.
Sie gehorchte.
»Gut«, sagte er. »Sie können sich wieder anziehen.«
»Einen Augenblick lang glaubte ich schon, Sie hätten Ihre Meinung geändert«, sagte sie und zog einen koketten Schmollmund.
»Nein, nehmen Sie’s nicht persönlich, Mädel«, sagte er, während er sich erhob. »Wollte nur sichergehen, dass ich nichts als bloße Haut zu sehen bekomme. War übrigens ein sehr netter Anblick.«
Sie lächelte ihm zu, als er zu ihrem Schreibtisch ging, ihre Waffe nahm, sie untersuchte, sicherte und dann in seine Tasche gleiten ließ.
»Sie können sie sowieso nicht mitnehmen, wenn Sie das Land verlassen«, sagte er. »Zumindest nicht legal. Also pass ich lieber mal auf sie auf.«
»Ich darf
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