Die Launen des Todes
für so manche Unruhe und Überreiztheit und Aufwallung gesorgt hatte.
Er sagte: »Es tut mir sehr Leid, vom Tod Ihres Ehemanns gehört zu haben, Ms. Haseen. Sir Justinian ist ein großer Verlust für die Wissenschaft.«
Engländer sind berüchtigt für ihre kläglichen Kondolenzversuche, Pascoe aber glaubte, dass er die Sache ganz gut gemeistert habe, die Frau allerdings betrachtete ihn mit unverhohlener Skepsis. »Sie kannten meinen Mann, Mr. Pascoe?«
»Na ja, nein …«
»Aber Sie kennen seine Bücher? Welches hat Sie am meisten beeindruckt?«
Flehentlich sah Pascoe zu Pottle, der mit mildem Lächeln sagte: »Amaryllis, Sie und der Chief Inspector haben, soweit ich weiß, einen gemeinsamen Bekannten. Einen gewissen Mr. Franny Roote.«
Dankbar sowohl für den Themenwechsel als auch für die Eröffnung, sagte Pascoe: »Ich habe mit großem Interesse gelesen, was Sie über ihn in
Dunkle Zellen
geschrieben haben, das mich übrigens sehr beeindruckt hat. Ein tolles Werk. Es würde mich wirklich freuen, wenn Sie einen Moment Zeit hätten, damit wir uns darüber unterhalten können.«
Sein Versuch, sie durch Schmeicheleien abzulenken, misslang kläglich.
Mit eisiger Stimme erwiderte sie: »Ich kann nicht über meine Patienten reden, Mr. Pascoe, von denen übrigens auch keiner im Buch namentlich erwähnt wird.«
»Nein«, sagte er, »aber Franny hat sich in einem Brief an mich selbst zu erkennen gegeben. Inhaftierter XR , wenn ich mich recht erinnere. Die Schweigepflicht trifft damit vielleicht nicht mehr zu. Er sprach sehr offen von den Sitzungen mit Ihnen und dass er in Ihrer Schuld stehe, weil Sie seine Überführung vom Syke zum Butlin befürwortet haben.«
Wenn du eine Peitsche hast, sagte das Evangelium nach St. Dalziel, reicht meistens schon ein kleiner Knall – solange dein Gegenüber überzeugt ist, dass du Blut sehen willst.
Pascoe fixierte sie mit einem starren Blick voll Dalzielesker Entschlossenheit, wie er hoffte.
Treib sie in die Ecke, und dann zeigst du ihnen, wie sie wieder rauskommen können, lautete ein weiterer Tipp seines Herrn und Meisters.
»Sie haben ihn doch kürzlich am St. Godric’s getroffen, da war er schon lange nicht mehr Ihr Patient, es sollte also, moralisch gesprochen, kein Problem sein, über ihn zu reden, oder? Ich weiß, Sie haben sehr schmerzliche Erinnerungen an diese Konferenz. Gleichzeitig muss es Sie doch sehr gefreut haben, dass jemand, dem sie als Strafgefangenen geholfen haben, für seinen Vortrag den Applaus eines ausgewählten akademischen Publikums erhielt. Waren Sie davon nicht beeindruckt?«
»Von dem Vortrag? Nein. Wie die meisten so genannten literaturwissenschaftlichen Analysen war er ganz großartig, was das Geschwafel anbelangt, in Hinblick auf die psychologische Durchdringung des Themas jedoch sehr schwach. Er war es kaum wert, dass man sich deswegen beim Mittagessen so beeilen musste. Außerdem war es ja auch nicht Rootes Arbeit, oder? Und außerdem interessierte mich mehr seine Beziehung zum verstorbenen Dr. Johnson.«
»Sie mussten Sam gekannt haben, als Sir Justinian noch in Sheffield war.«
»O ja. Wir kannten uns.«
»Ich kannte ihn ebenfalls«, sagte er. »Meiner Ansicht nach ein sehr kluger, sehr attraktiver Kerl.«
»Sie fanden ihn attraktiv?« Sie musterte ihn.
»Ja, durchaus. Ich habe gehört, es gab einige Zwistigkeiten mit Ihrem Ehemann.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Auf Johnsons Seite vielleicht. Gewisse Charaktere können nicht anders, sie müssen immer jene von sich stoßen, die ihnen unter die Arme greifen, so wie Jay es bei Johnson mit dessen Beddoes-Buch getan hat. Manchen fällt es leichter, mit denen, die ihnen geholfen haben, einen Streit vom Zaun zu brechen, als die Hilfe anzuerkennen. Ich kannte ihn nicht besonders gut, aber er erschien mir immer als ein sehr launenhafter, vielleicht sogar als ungefestigter Mensch. Es überraschte mich nicht, als ich hörte, unter welchen Umständen er Sheffield verlassen hat.«
»Sie meinen den Tod des Studenten Jake Frobisher?«
»Sie wissen davon? Aber natürlich wissen Sie das. Auch hier haben Sie wieder eine enge Beziehung, auf die Zurückweisung folgt. Das gleiche Muster wie bei Jay, außer dass die Nähe in diesem Fall natürlich sexueller Natur war, nicht akademischer. Johnsons Tod dürfte meiner Meinung nach für Roote ein glücklicher Umstand gewesen sein, in vielerlei Hinsicht.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er das genauso sieht. Und sicherlich sah er den
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