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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Töpfe und Schüsseln neu, wie auch die zwei Schemel und der einfache Tisch. Zufrieden tretelte ich eine Kuhle in das Deckenlager und freute mich an dem Knistern des frischen Farnpolsters und seinem angenehmen Waldgeruch. Probeweise machte ich schon mal ein Nickerchen hier.
    Ein vereinzelter Sonnenstrahl kitzelte meine Nase. Er fiel durch eine Ritze im Gebälk und machte mir auf erfreuliche Weise klar, dass sich der Tag doch noch aufgeklart hatte. Ich hüpfte aus dem Fenster und fand ein fröhliches Wolkentreiben am Himmel. Der Wind hatte aufgefrischt und zauste an Kristins Röcken, die mit Jehan den Bach entlangschlenderte. Ich trottete zu ihnen hin und maunzte, um ihre Aufmerksamkeitzu erregen. Jehan hörte mich zuerst und drehte sich um.
    »Ei, Mirza, gerade haben wir von dir gesprochen!« Ich ließ mich von ihm streicheln. Kristin schloss sich an.
    »Das Bild von ihr, das Ihr heute Pater Melvinius überreicht habt, ist wirklich ganz ausgezeichnet gelungen, Jungfer Kristin. Er hat sich so gefreut.«
    »Sie ist aber auch ein hübsches Motiv. Aber sie ist nicht zum ersten Mal gemalt worden.«
    »Nein?«
    Kristin grinste breit.
    »Komm mal mit!«
    »Warte. Hopp, Mirza. Du bist zu dick, um noch viel herumzulaufen!« Jehan nahm mich auf den Arm, wofür ich recht dankbar war. Obwohl ich eigentlich noch ganz gut auf den Pfoten war. Aber warum nicht einen kleinen Vorteil nutzen, wenn er einem geboten wurde!
    »Ich denke, es ist bald so weit.«
    »Sie bekommt Junge, nicht wahr?«
    »Zumindest sieht sie so aus, wie ich trächtige Katzen kenne. Ein bisschen spät im Jahr, was, Süße?«
    Die beiden befanden über meine körperlichen Eigenschaften, während sie zur Basilika wanderten.
    »Warten wir, bis die Mönche ihre Gebete zur Sext beendet haben. Es kann nicht mehr lange dauern«, schlug Kristin vor, setzte sich auf das Mäuerchen und ließ die Beine baumeln. Aus der Kirche klangen die Stimmen zu uns, die den Herren lobpriesen. Ein monotoner Singsang, aber inzwischen vertraut und heimelig für mich, genau wie der Duft des Weihrauchs und der Wachskerzen, der durch die klare Luftzu uns wehte. Ich streckte die Nase in den Wind, um nach dem Wetter zu schnuppern. Es würde noch klar bleiben, aber gewiss kälter werden. Erst wenn der volle Mond wieder abnahm, würde es wärmer und wieder stürmisch werden.
    Der Gesang verstummte, das Kirchentor öffnete sich. Wir warteten noch eine Weile, dann betraten wir das Innere der Basilika. Kristin schob den Vorhang beiseite, der das Fresko verbarg. Heute arbeitete Meister Clemens nicht daran, die Schalen, Näpfe und Farbtiegel standen aufgereiht auf dem Tisch, die Pinsel ordentlich in Töpfe gestellt dazwischen, der Eimer für den Putz leer, die Spachtel gesäubert. Die Wand war jetzt fast vollständig bemalt, nur an der linken Seite des letzten Bildes fehlten noch die farbigen Ausmalungen. Jehan bewunderte stumm die Farbenpracht und den umwerfenden Effekt der Perspektive. Aber er entdeckte auch sehr schnell die Feinheiten.
    »Das ist ja Pater Melvinius!«, rief er plötzlich aus. »Und der Abt, und der Camerarius.«
    Kristin nickte beifällig.
    »Gut erkannt. Und, was siehst du noch, Jehan?«
    Schweigend und konzentriert musterte der Junge die fünf Bilder, und ich wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, als er aufjauchzte.
    »Mirza! Unter Melvinius’ Gewand!«
    »Genau da.«
    »Kristin?«
    »Ja?«
    »Das habt Ihr gemalt, nicht wahr?«
    Kristin wurde rot vor Verlegenheit und schüttelte stumm den Kopf.
    »Mein Bruder ist der Maler.«
    »Nein, Ihr seid ebenso gut, und auch Melvinius und die anderen Mönche stammen aus Eurem Pinsel. Gebt es zu.«
    Mit einem Finger wickelte Kristin das Band ihrer Haube auf, sah sich dann vorsichtig um und nickte verstohlen.
    »Ja, aber sag es nicht weiter.«
    »Natürlich nicht.« Nach einem kleinen Moment fragte er nach: »Mein Vater weiß es auch, nicht wahr?« Kristin schluckte.
    »Ja, ich fürchte. Ich dachte, wir könnten uns so gut verstellen...«
    »Er ist ein schrecklich kluger Mann, man kann wenig vor ihm verbergen. Vor andernen schon, nicht vor ihm. Ich weiß das nur zu gut! Erzählt, Kristin, wie macht Ihr es, dass man Euch für Meister Clemens hält?«
    »Du bist leider auch sehr klug, also muss ich es dir wohl anvertrauen. Pater Melvinius weiß es auch, also macht es wohl nichts. Aber wir setzen uns draußen hin, ich möchte nicht, dass hier jemand lauscht.«
    Hinter der Mauer wuchsen hohe Büsche und hielten den Wind ab, ein großes

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