Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
nicht wahr?«
»Ja, dort ist sie.«
»Ich werde Euch ebenfalls begleiten!«, sagte Melvinius, und ich sah die Druitgin das erste Mal wirklich fassungslos.
»Es ist ein heidnischer Glaube!«, flüsterte sie. »Sicher. Aber ein Glaube.«
Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. Dann aber fasste sie sich wieder und meinte: »Es würde mich ebenfalls interessieren, was geschieht, wenn der Feenstein der Herrin zurückgegeben wird, aber einer muss hier bei dem Herrn Meinhard bleiben. Geht also, aber nehmt Laternen und ein paar Krüge mit. Wenn dasWasser heilt, so werde ich es sicher gebrauchen können.«
Kristin borgte sich einen Weidenkorb und zwei Tonkrüge mit festen Stopfen aus, und Melvinius nahm Kristins Laterne. Jehan steckte den Feenstein ein und wollte die beiden führen.
Mich vergaßen sie.
Das musste verhindert werden. Denn wenn jemand das Recht hatte, bei diesem Unternehmen dabei zu sein, dann doch wohl ich. Maunzend trabte ich hinter ihnen her.
»Mirza, du bleibst hier!«
Aber gewiss nicht! Ich stimmte meinen lautesten Krakeel an.
»Es ist zu weit für dich.«
Absoluter Blödsinn! Sie gingen weiter, und mein Kreischen ließ die Nachbarn die Läden öffnen, um zu schauen, wem hier bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren gezogen wurde.
»Katzenschänder!«, rief eine alte Frau. »So was will ein Priester sein!«
Melvinius hielt seine Schritte inne, und ich hoppelte zu ihm hin.
»Mirza?«
»Mau! Mau!«
»Der Stein bedeutet auch dir etwas. Ich weiß es ja. Aber du bist nicht kräftig genug...«
Ich rannte ein Stück voraus.
»Sie ist eine besondere Katze, Pater. Und wenn wir nun schon versuchen, Märchen wahr werden zu lassen, müssen wir ihren Anteil daran auch würdigen. Sie hat viel für uns getan«, gab Kristin zu bedenken.
»Jehan, kannst du sie tragen? Wir schauen eben in unserem Haus vorbei. Clemens hat sie neulich im Korb hergeschleppt, das scheint ihr nichts auszumachen.«
Clemens, kurz über das Vorhaben informiert, schloss sich uns sofort an. Ich hüpfte in den Korb, den er mir bereithielt, und wurde so auf recht gemütliche Art zum Ziel meiner Wünsche getragen.
Es wurde inzwischen schon früh dunkel, und durch das Geflecht des Korbes sah ich das Licht der Laterne tanzen. Es gab offensichtlich für Menschen nur beschwerlich zu begehende Pfade, denn manches gemurrte Wort wurde laut, wenn sich ihre Kleider in Ranken und Dornen verfingen, aber als der volle, runde Mond sein Silberlicht über die Wipfel fließen ließ, stellte Clemens den Korb ab, sodass ich ihn verlassen konnte.
Ah, es war ein verzauberter Platz, den wir erreicht hatten. Unter hohen Bäumen türmte sich flechtenbewachsenes Gestein auf, das an einer Stelle ein beinahe rundes Becken formte. Moosig war der Rand, und die Zweige des fast laublosen Schlehdorns bildeten ein schwarzes Filigranmuster über dem leise plätschernden Wasser, das sich in der Vertiefung sammelte und von dort in einem schäumenden Gefälle über die Umfassung sprudelte. Das Rinnsal floss durch den weichen Boden nur wenige Schritte weit und versickerte dann im schwarzen Humus des Waldes. Unterirdisch war sein Lauf, und ich ahnte, wohin sein Fluss ging.
»Das ist die Quelle?«, flüsterte Kristin in die vollkommene Stille des Ortes.
Jehan nickte.
Melvinius näherte sich mit einem versonnenenAusdruck dem Becken, bildete mit den Händen einen Kelch und tauchte sie in das Nass. Glitzernde Tropfen fielen von seinen Fingern, als er es wieder hinausrieseln ließ.
»Kalt und klar«, sagte auch er leise und ließ sich
einen der Tropfen auf die Lippen fallen. »Und bitter.« »Wir wollen den Kristall hineintauchen, um Gewissheit zu haben«, schlug Clemens vor. »Jehan?« »Ja, Meister Clemens.«
Aber Jehan zögerte, als er den Feenstein aus seinem Lederbehälter gezogen hatte. Es lag eine erwartungsvolle Spannung zwischen den vier Menschen, die sich auch auf mich übertrug. Ich fühlte, wie sich die Haare entlang meines Rückens aufrichteten. Melvinius streckte die Hand nach dem Amulett aus, aber der Junge schloss doch wieder seine Finger darum.
»Nein!«, sagte er mit Bestimmtheit. »Nein.« Er kniete neben mir nieder und sah mir tief in die Augen. Ich spürte Vertrauen darin und ein seltsames, altes Wissen. »Mirza hat den Stein zu mir gebracht, als ich verloren und verletzt im Wald lag. Sie hat ihn behütet und bewacht. Sie hat rote Ohren, Pater, die kleine Feenkatze. Es mag ihre Aufgabe sein, auch diese letzte Tat zu vollbringen. Sie wird ihn
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