Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
Augen in dem schwarzen Gesicht, die ihm glichen.
»Mein Sohn.«
»Ich dachte es mir.«
»In fünfzehn Jahren verliert man ein wenig die Übersicht über die zahlreichen Kinder. Aber er blieb mir im Gedächtnis. Ein kühner Junge. Magst du ihn?«
Menschen kann man als Katze mögen, meist, weil man irgendwie das Bedürfnis hat, sie in all ihren Unzulänglichkeiten zu schützen, wie blinde Welpen. Einen solchen Kater aber...
»Mehr.
»Gut. Bleibst du hier?«
»Nicht lange, denke ich.«
Sie schien es zufrieden und bürstete ihren Schwanz. Gastfreundschaft ist so eine Sache. Man hat gerne sein Revier ordentlich bestellt. Manches stört auf die Dauer. Und auf eine Auseinandersetzung wollte ich es mit Jezabel nicht ankommen lassen.
Kristin kehrte zurück. Ihre Müdigkeit schien verflogen, ihre Wangen waren gerötet. Sie hatte das Beutelchen mit dem Feenstein dabei.
»Hier, Druitgin. Würdet Ihr das auch als Heilstein bezeichnen?«
Die Heilerin nahm den Kristall aus seiner Umhüllung und hielt ihn gegen das Licht. Ihre Augen wurden groß.
»Das Amulett. Marienhaar, sagt man. Es hat einst einen Skandal darum gegeben, erinnere ich mich.
Nichtsdestotrotz, es mag helfen. Schaden, Jungfer Kristin, wird es sicher nicht.«
»Dann wollen wir es ihm geben.«
Neugierig schlüpfte ich in die Kammer hinterher. Die Druitgin legte Meiko den Kristall auf die Brust und faltete seine Hände darum. Er seufzte leise im Schlaf. Ich rollte mich an seiner Seite zusammen.
»Mein Bruder ist zum Kloster gegangen, um Pater Melvinius und Jehan zu benachrichtigen«, erklärte Kristin.
»Und ich werde nach dem Herrn Sivert sehen. Könnt Ihr noch ein paar Stunden bei dem Kranken wachen?«
»Natürlich!«
»Das Fieberwasser findet Ihr in diesem Krug hier.«
Jehan, Melvinius und Clemens trafen noch vor der Mittagszeit ein, die Druitgin folgte kurz darauf. Als sie sich an dem Krankenlager versammelten, wachte Meiko endlich auf und schien sich auch seiner Umgebung bewusst zu werden.
»Papa!«, schluchzte Jehan auf und kniete an seinem Lager nieder.
»Mein Junge, still. Ich lebe noch. Zumindest ein wenig.«
»Kannst du uns berichten, was geschehen ist, Meinhard?«, fragte Melvinius besorgt und half ihm, aus dem Becher mit dem Kräutertee zu trinken, den die Druitgin zubereitet hatte.
Mühsam, als müsse er die Worte zusammensuchen, berichtete er.
»Ich kam vom Lindenhof. Es war schon dunkel. Sivertwartete vor dem Dorf am Wald auf mich. Ich wollte mit ihm reden, verhandeln. Er verlangte, das ich wieder fortginge, das Land verlasse. Ich bot ihm Geld, aber er ging nicht darauf ein. Es fielen viele böse Worte.« Meiko schloss die Augen, und Bitterkeit malte sich in seinen Zügen ab. »Er hat mich schon immer gehasst. Schon als Junge hat er Intrigen gesponnen. Das Amulett, wegen dem es zu der letzten Auseinandersetzung zwischen mir und meinen Eltern kam – er hatte es gestohlen und versteckt, sodass ich es meiner Mutter nicht zurückgeben konnte. Er hat den Streit mit meinem Vater geschürt.«
Melvinius legte ihm sanft die Hand auf seinen gesunden Arm.
»Hadere nicht. All das hat dich auch zu uns geführt. Und zu Jehan.«
»Ja, natürlich, Pater. Aber – der eigene Bruder...« »Es ist schlimm, ich weiß.«
»Er hat mich geschmäht und bedroht und schließlich den Hund auf mich gehetzt. Ich versuchte, ins Unterholz zu entkommen, aber das Biest war aufs Töten abgerichtet. Es fiel mich an. Es gelang mir, ihm noch mein Messer in die Kehle zu stoßen, dann brach ich zusammen. Eine Weile habe ich wohl die Besinnung verloren. Ich wachte auf, als Sivert über mir stand, mein Messer in der Hand, um mir endgültig das Leben zu nehmen. Aber dann... Pater Melvinius, ich hoffe, Ihr glaubt mir. Es war ein Luchs da, der von einem Baum gesprungen kam. Er tötete ihn. Danach weiß ich nichts mehr.«
»Er hat recht«, bestätigte die Druitgin. »Ich besah mir die Wunden an dem Leichnam.«
»Es war nicht der Hund?«, wollte Clemens wissen. »Nein. Nicht sein Hund hat dem Herrn Sivert die Kehle durchgebissen.«
»Was?«
Ungläubig starrte Kristin die Ältere an.
»Eine Katze, den Krallenspuren nach.« Und dann schenkte mir die Druitgin einen glitzernden Blick. »Eine weit größere als diese hier.«
»Es gibt Luchse im Wald!«
Kristin begann zu zittern.
»Ja, es gibt Luchse im Wald. Und der Herr Sivert hat sie gerne gejagt. Er hat einmal damit geprahlt, dass er die goldenen Luchssteine finden wollte.«
»Die Luchssteine?«
Pater
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