Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
futterten sich die Mäuse im Herbst richtig die Wampe voll. Mit einer ordentlichen Speckschicht unter der Haut, einem dicken Fell darüber und vielen träge verschlummerten Stunden, um an den Polstern nicht zu sehr zu zehren, kam man einigermaßen bis zum Frühjahr durch.
Melvinius zeigte mir auch das Bächlein, das durch die Nutzgärten floss und in einer Senke zu einem kleinen Teich aufgestaut worden war. Hier gab es Forellen. Und ein Räucherhaus, das einen mehr als verlockenden Duft verströmte. Ich merkte mir den Weg sehr gut. Warum nicht an den menschlichen Vorräten teilhaben?
Gerne besuchten wir beide den Kräutergarten. Ich vor allem wegen der Katzenminze, Melvinius wegen Meiko. Der war allerdings nicht immer in seiner Hütte. Wir trafen ihn erst am Sonntag wieder dort an. Er schien erfreut, als er den Pater traf, und erkundigte sich nach seinem Befinden.
»Besser, mein Junge, viel besser. Ich habe dir zu danken für deine umsichtige Hilfe. Und wie du siehst, ist auch Mirza wieder auf den Pfoten.«
»Katzen erholen sich schnell. Aber Ihr seht wirklich viel wohler aus in der letzten Zeit.«
»Ich befolge den Rat, viel zu ruhen und oft an die frische Luft zu gehen, sehr gewissenhaft. Von den morgendlichen Stundengebeten bin ich befreit.«
»Der Herr wird es verstehen!«
Melvinius lachte leise.
»Dich habe ich auch noch nie bei der Messe gesehen, Meiko.«
Der Gärtnerbursche hob die Schultern.
»Ich diene dem Herren lieber mit den Händen als auf Knien, wenn Ihr so wollt. Möchtet Ihr ein Stückchen mitgehen? Ich habe am Waldrand einen neuen Baumgarten angelegt.«
Der Pater folgte ihm, und ich schloss mich ungefragt an. Der Wald hatte mich schon immer gereizt, aber ihn alleine zu erkunden, barg doch ein gewisses Risiko. Auch das Gehölz, das ich früher von Moens Hütte aus besucht hatte, war mir immer ein wenig unheimlich gewesen. Katzen mögen zwar zu einer geradezu haarsträubenden Wissbegierde neigen, aber wir sind auch überaus vorsichtig.
»Ich habe Kirschbäume und Mandelbäume gepflanztund hoffe, auch Aprikosen und Pfirsiche gedeihen hier«, erklärte Meiko.
»Wo hast du die Stecklinge her?«
»Die Dame Caroline war so gütig, mir zu erlauben, sie in ihrem Obstgarten zu schneiden.«
»Und du verstehst dich darauf, sie zu pflegen?«
»Euer Bruder Gärtner gab mir Rat und Hilfe.«
»Ah, ja. Bruder Everard. Er ist geschickt mit den Apfelbäumen. Er pfropft und schneidet und erzielt erstaunliche Ergebnisse. Ich verspeise sie mit großem Genuss. Sag, Meiko, du hast nicht schon einmal mit dem Gedanken gespielt, unserem Orden beizutreten?«
Meiko starrte Pater Melvinius fassungslos an.
»Äh – nein. Nein, allerdings nicht. Warum sollte ich?«
»Du führst ein so karges Leben hier. Ein windschiefes Hüttchen, harte Arbeit, ein Hungerlohn...«
»Ich kenne es nicht anders.«
»...und keine Bücher.«
Meiko sah für einen kurzen Moment betreten aus. »Du liebst Bücher, Meiko.«
»Wie kommt Ihr nur darauf, Pater?«
»Es bekümmert dich, wenn die Mäuse daran nagen. Du fasst sie immer mit sauber gewaschenen Händen an. Und du kannst lesen, mein Junge. Leugne es nicht!« Pater Melvinius setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm, den Meiko zu einer Art Sitzbank hergerichtet hatte. »Als Mitglied meines Ordens könntest du dich deinen Studien widmen. Falls es dich zwischendurch nach Handarbeit gelüstet, gibt es natürlich auch gegen die Arbeit im Garten nichts einzuwenden.«
Der Gärtnerbursche zuckte lässig mit den Schultern.
»Ihr habt eine wunderliche Meinung von mir, Pater.«
»So, mein Junge? Nun, dann will ich dir etwas erzählen, woran ich immer denken muss, wenn ich dich sehe.«
»Was sollte das sein?«
Ich sprang auf die Bank und spitze die Ohren. Das wurde ja richtig aufregend. Melvinius hatte offensichtlich etwas herausgefunden, was der Gärtnerbursche verheimlichte. Bestimmt ein Verbrechen! Meine Schurrhaare bebten entzückt.
»Vor vierzehn Jahren, Meiko, traf ich in meiner Heimat einen jungen Mann, der dir nicht unähnlich sah. Er war fremd in meinem Land, obgleich er meine Sprache recht gut beherrschte. Ich betreute damals eine Pfarrei, und wie der Zufall es wollte, war ich der Priester, der ihn und ein junges Mädchen meiner Gemeinde traute. Beatrice Treguir heiratete den Fischer Menard Romarus. Ein Jahr nach der Hochzeit taufte ich ihren Sohn. Menard sorgte gut für sein Weib, doch sie wollte mehr als nur in einer dürftigen Fischerhütte leben. Darum
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