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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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entbrannten Leidenschaft Gefallen findet, dann ist – selbst wenn man sich nicht in den Armen liegt – von der echten Reinheit, nämlich der Reinheit des Herzens, schon keine Rede mehr«, tönte der Vorleser und rief dann zu gegenseitigen Spitzeldiensten auf. Er beendete seinen Sermon mit den Worten: »Wenn ein Bruder eingesteht, dass er schon so weit auf dem verkehrten Weg fortgeschritten ist, dass er im Geheimen von einer Frau Briefe empfängt oder Geschenke annimmt, dann soll man ihn schonend behandeln und für ihn beten. Wird er aber auf frischer Tat ertappt und für schuldig befunden, dann soll er nach dem Urteil des Priesters oder des Oberen zu seiner Besserung hart bestraft werden.«
    Das war doch wider die Natur! Wenn einen der Trieb packt, dann lebt man ihn aus!
    Aber das sahen diese Männer hier irgendwie anders. Vor allem Diakon Arnoldus tat sich tapfer hervor, indem er zwei Novizen verpfiff, die angeblich dem Wäschermädchen Katryn hinterhergeschaut hatten. Lüstern. Katryn war wohl auch unzeitgemäß rollig. Oder dauernd rollig. Dann bezichtigten sich zwei alte Zausel gegenseitig, dem Weib des Fassbenders schöne Augen gemacht zu haben, was mir in Anbetracht der kahlen Häupter und runzeligen Wangen auch ein wenig unzeitgemäß vorkam. Es hagelte Strafen.
    Ich verzog mich. Nicht, dass mich da noch jemand wegen meiner schönen grünen Augen anschwärzte.
    Im Kreuzgang ging es immer im Kreis, was auf die Dauer ein wenig eintönig wurde. Aber dann fand ich die angelehnte Tür, und meiner neugierigen Nase folgend schob ich sie mit den Pfoten ein bisschen weiter auf. Welche Überraschung! Ich stand in der Basilika. Ein Blick nach oben, und ich fing mit meinen Augen den starren Blick des Goldbekränzten ein. Also befand ich mich im Westen des Gebäudes. Mit großer Freude sah ich Meister Clemens auf dem Gerüst werkeln. Mit einem leisen Miauen machte ich mich bemerkbar.
    »Oh, Mirza. Schön, dich zu sehen. Aber ich kann jetzt nicht zu dir kommen, der Putz hier oben ist gerade noch feucht genug, und ich muss die letzten Farben auftragen.«
    Ich schätze es sehr, als ein gleichwertiges Mitglied der vernunftbegabten Geschöpfe behandelt zu werden, darum ließ ich diese Erklärung gelten und vertrieb mir die Zeit damit, das Werk der Malergeschwister zu betrachten.
     
    In dem ersten Säulenbogen beugte sich in der frühlingsgrünen Landschaft, in die ich so gerne hineingesprungen wäre, eine junge Frau über weiße Lilien. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach musste sie trächtig sein, denn ihr Bauch rundete sich gewaltig unter dem blauen Gewand. Ein gefiederter Mann hielt sich im Hintergrund. Beide Gestalten hatten eine feine, schimmernde Aureole um den Kopf. Ich dachte immer, Menschen könnten diese Strahlen mit ihren eingeschränkten Sinnen nicht wahrnehmen. Aber augenscheinlich wussten sie doch davon. Jene, die denstarr blickenden Mann in der Westapsis gemalt hatten, mussten es allerdings vom Hörensagen erfahren haben. Es sah bei ihm sehr unglaubwürdig aus. Aber Meister Clemens und Kristin hatten es ganz korrekt dargestellt, dieses zarte Leuchten, das jene Wesen umgibt, die von Weisheit und Güte durchdrungen sind. Wir Katzen erkennen es selbstverständlich immer, doch, ehrlich gesagt, es kommt ausgesprochen selten vor. Ich hatte bisher nur einmal einen uralten, weißen Hirsch im Wald getroffen, der eine solche Ausstrahlung hatte.
    Im zweiten Säulenbogen hielt die gütige junge Mutter ein Kind in ihrem Arm, das verlangend nach ihrer Brust griff. Menschenjunge brauchten also genau wie kleine Katzen ihre Milch. Mir gefiel die Darstellung besonders gut, denn jene Frau hatte sich an einer sprudelnden Quelle zwischen Farn und Vergissmeinnicht niedergelasssen. Vögel saßen im Gezweig über ihr, und zu ihren Füßen tummelte sich kleines Getier. Eine seltsam friedliche Darstellung von Menschen. Wenn diese Frau denn ein Mensch war.
    Das dritte Bild, noch unfertig, zeigte einen Tempel in herbstlicher Landschaft, in der sich mehrere Menschen befanden, die dem nun im Jünglingsalter stehenden Sohn der gütigen Frau lauschten. Sie selbst hielt sich im Hintergrund. Macht man als Mutter ja auch so, wenn die Kinder selbstständig werden. Die beiden letzten Zwischenräume zwischen den Säulen waren noch leer, die Wand nur roh verputzt.
    Meister Clemens kraxelte vom Gerüst und legte Pinsel und Farbtiegel beiseite. Aus der Nähe erkannte ich, dass es Kristin war, die heute ihr Werk tat. Dasfreute mich besonders. Aber als

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