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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Eher zufällig, denn es nieselte ständig, und ich mochte es nicht, wenn mein Fell feucht wurde. Also durchmaß ich geschwind den Brüderhof und schlich mich in die Küche.
    Engelbert, der faule Kater, lag wie üblich in der Nähe des Herdes und wärmte sich den Pelz. Auf dem Feuer stand ein Kessel, in dem es leise brodelte. Die beiden Männer, die hier ihren Dienst taten, beachteten uns nicht weiter. Einer von ihnen hackte mit einem breiten Messer Rotkohlköpfe, der andere nahm Fische aus. Ein Junge brachte aus der Meierei ein Fässchen Butter und eine Kanne Milch. Er wäre beinahe mit dem Burschen zusammengestoßen, der zwei schwere Körbe Äpfel und Birnen herbeischleppte.
    Ich setzte mich zu Engelbert, der mir gutmütig Platz machte. Nach unserer ersten etwas misslungenen Begegnung hatten wir uns richtiggehend ein wenig angefreundet. Wobei die Initiative mehr von mir als von dem trägen Dickerchen ausging.
    »Ich habe gestern Forelle mit Flusskrebsen geschlemmt«, stichelte ich, denn ich hatte herausgefunden, dass Engelbert ein Leckermaul war.
    »Selbst gefangen?«
    »Nein, serviert vom Tisch des Abtes.«
    Einer der seltenen Funken glomm in seinen Augen auf. Gier – las ich darin.
    »Wie bist du denn dazu gekommen?«
    »Meinem Pater und mir ging es nicht so gut. Und wie es scheint, sagen die Klosterregeln, dass man dann besondere Leckereien bekommt.«
    Engelbert, der ein Orakel in Klosterregeln war, dachte kurz nach und stimmte mir ernsthaft zu.
    »›Kranke müssen selbstverständlich eine der Krankheit angepasste leichte Kost bekommen; andernfalls würde man die Krankheit verschlimmern. Sobald aber die Besserung eintritt, sollen sie mit kräftiger Nahrung versorgt werden, damit sie sich so schnell wie möglich erholen, selbst wenn sie vor ihrem Klostereintritt zur ärmsten Schicht der Gesellschaft gehörten. Während der Genesungszeit sollen sie dasselbe erhalten, was den Reichen aufgrund ihrer früheren Lebensgewohnheit zugestanden wird.‹ So wollte es Augustinus.«
    »Ich nehme an, du fühlst dich auch schon ganz schwach und hinfällig«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.
    »Ziemlich. Aber es kostet auch Kraft, sich krank zu stellen. Und noch weniger steht mir der Sinn danach, mir derartige Kratzer zuzuziehen, wie du sie da auf der Nase trägst. Zum Kämpfen bin ich inzwischen zu alt. Du hast einen Händel mit den Stallkatern ausgef ochten, hörte ich?«
    »Ja, ja.«
    Engelbert mochte ein träger Klumpen Katzenfleisch sein, aber gute Ohren hatte er allemal. Es gab kaum eine Neuigkeit, die nicht in Kürze an sie drang. Ich hingegen wünschte das von ihm gewählte Thema nicht weiter zu erörtern. Er beharrte dennoch darauf.
    »Diabolo hatte dich gewarnt.«
    »Diabolo hat mich angeschissen.«
    »Er ist der Oberste hier im Revier. Wie der Abt vom Kloster. ›Gehorcht eurem Oberen so wie einem Vater, aber auch mit dem gebührenden Respekt, der ihm aufgrund seines Amtes zusteht.‹«
    »Du gehst mir auf die Nerven.«
    »Schon möglich.«
    Schrecklich, mit Engelbert konnte man einfach nicht streiten.
    »Woher hast du eigentlich diese Klosterweisheiten?«
    »Ich gehe hin und wieder gerne zur Lesung im Kapitelsaal. Ist nicht weit. Ein hübscher Spaziergang im Trockenen. Da hinten, durch den Kreuzgang.« Er wies mit der Nase über die rechte Schulter. Zu größeren Gesten war er zu faul. »Man hört viele Neuigkeiten dort.«
    Das war also eine der Quellen, aus denen er sein Wissen schöpfte.
    Es war gewiss keine schlechte Idee, einen Rundgang für Regentage zu haben. Ich ließ mir also den Weg beschreiben und verabschiedete mich von Engelbert.
    Unauffällig durchquerte ich das Refektorium, in dem für gewöhnlich die Mönche ihre Mahlzeiten einnahmen, das aber im Augenblick leer war, und fand den Ausgang zu dem, was man Kreuzgang nannte. Ach ja, hier war es wirklich angenehm. Man befand sich im Freien, und doch hatte man ein Dach über dem Kopf. Um den quadratischen Innenhof zog sich ein Säulengang. Der Hof selbst war mit Gras bewachsen, und die Mitte bestimmte ein steinerner Brunnen. Ich wandte mich nach links und kam an eine angelehnte Tür, hinter der eine Stimme einen Text herunterleierte. Das war wohl die besagte Kapitellesung.
    Ich lauschte unbemerkt eine kleine Weile, und wieder fand ich die Menschen gar wunderlich in ihren Ideen.
    »Wenn man sich gegenseitig seine unkeuschen Absichten zu erkennen gibt, auch ohne Worte, nur indem man nach dem anderen Ausschau hält, und wenn man an der zueinander

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