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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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durchnässt, Pater, und es weht ein scheußlich kühler Wind. Trocknet Euch gut ab, und lasst Euch von Yvain einen heißen Wein zubereiten. Sonst erkältet Ihr Euch.«
    Melvinius lachte leise auf.
    »Warum kümmerst du dich so um mein Wohlbefinden, Meiko? «
    »Nennt es meine Christenpflicht!«
    »Gerade diese Wort hätte ich von dir nicht erwartet.«
    »Sondern?«
    »Deine humanistische Ethik!«
    »Pater, woher sollte ein Gärtnerbursche solche hochtrabenden Worte kennen?«
    »Wenn er doch in meiner Bibliothek die Werke des Agricola und Petrarca liest...«
    Meiko hüstelte verlegen.
    »Nun, ich habe nichts gesehen und werde darüber kein Wort verlieren. Aber solltest du dich einmal nach einer – sagen wir – Disputation über bestimmte Themen sehnen, wirst du bei mir ein offenes Ohr finden, Meiko.«
    »Danke, Pater. Und nun ab in Wärme und Trockenheit mit Euch.«
    Den ganzen Weg über war ich an Melvinius’ Brust gedrückt worden, jetzt war ich froh, wieder auf meinen eigenen Pfoten zu stehen. Yvain kam sofort herbeigeeilt, um sich seines Herrn fürsorglich anzunehmen und sogar mir mein Abendmahl zu bereiten.
    Es gab geräucherte Forelle.
    Ich lehnte dankend ab.
    Das Kapitel Fisch war für mich erst einmal beendet.

Ein verräterisches Kapitel
    Alle Fürsorge und Pflege halfen nichts. Als der Morgen graute, wurde Melvinius von starken Gliederschmerzen geplagt und hatte eine laufende Nase. Ich tat, was ich konnte, um ihn zu wärmen, und rollte mich zu einem schnurrenden Kringel um seinen Kopf.
    Später kam Yvain und befahl seinem Herrn, ja im Bett zu bleiben. Melvinius murrte zwar, gehorchte aber, nachdem er nur mit Mühe in seine Heimlichkeit schwanken konnte, um seine Morgentoilette vorzunehmen. Er schien erleichtert zu sein, wieder unter die warmen Decken schlüpfen zu können.
    Ich machte nur einen ganz kurzen Rundgang. Nach einer verregneten Nacht, die die Wege aufgeweicht hatte und es von den Blättern tropfen ließ, war das Mausen in der Hecke zwar erfolgreich, aber machte mich nicht glücklich.
    Als ich zurückkam, fand ich Meiko an Pater Melvinius’ Lager vor. Mit heiserer Stimme bat er ihn gerade: »Und darum, mein Junge, kümmere dich ein wenig um die Jungfer Kristin.«
    »Ihr verratet mir kein Geheimnis, Pater. Ich habe es auch schon herausgefunden. Meister Clemens ist farbenblind, nicht wahr? Sie trägt eine Verkleidung, und beide wechseln sich in der Arbeit ab. Als Zwillinge fällt ihnen das erstaunlich leicht.«
    »So ist es.«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann. Macht Euch keine so großen Sorgen, Pater. Auch um die Kleine hier kümmere ich mich!«
    Er fuhr mir mit fester, rauer Hand über den Rücken, was sich nicht unangenehm anfühlte. Ich sagte: »Mirrrrip!« zu ihm, um anzudeuten, wie sehr ich das schätzte. Er verstand und streichelte noch einmal.
    Kein ganz ungeratener Kerl.
    War das humanistische Ethik? – Ich hätte es schlichte Zuneigung genannt.
    Dann aber ergab sich eine lästige Veränderung in meinen Lebensumständen.
     
    Der Infirmarius kam vorbei, sah die Klappe am Fenster und stellte fest, dass die Zugluft schädlich für den Kranken sei. Die Klappe wurde kurze Zeit später trotz Melvinius’ schwachen Protestes mit einem Brett vernagelt, und ich fand gerade noch eine Möglichkeit, durch die Tür nach draußen zu schlüpfen.
    Obdachlos irrte ich nun umher.
    Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, und meine Schnurrhaare gaben mir zu verstehen, dass uns eine Periode schönen, ruhigen Herbstwetters bevorstand.
    Auf befestigten Wegen wanderte ich zur Basilika, um mit Kristin zu plaudern. Vielleicht konnte ich sie ja mit ein paar eleganten Posen davon überzeugen, noch ein weiteres Bild von mir auf die Wand zu pinseln.
    Sie war dabei, Farbpulver herzustellen. Es staubte gelb, und sie hatte sich ein Tuch vor Nase und Mundgebunden. Ich kam etwas näher und wollte an dem Zeug riechen, als sie mich sah und hastig den Mörser fortzog.
    »Oh, Mirza. Vorsicht. Das ist giftiges Auripigment. Daran darfst du nicht schnüffeln.«
    Sie sah mich so warnend an, dass ich einen Schritt rückwärts machte. Na gut, so interessant war das auch wieder nicht. Ich beobachtete sie aus sicherer Entfernung. Die Arbeit von gestern war vollbracht, der blutende Leichnam lag zwischen den drei weinenden Frauen. Die linke von ihnen war noch unvollendet.
    Kristin stellte die gefüllten Farbtöpfe in die gewohnte Reihenfolge und zog einen Eimer mit Kalk zu sich. Bei dem Blick in das Wasserschaff seufzte sie. Es

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