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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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war leer. Sie sah sich nach dem Krug um, als die Tür aufging und Meiko einen Eimer heranschleppte.
    »Ich dachte, ich bringe Euch schon mal das Wasser, Meister Clemens.«
    »Oh, danke. Ich wollte gerade zum Brunnen.«
    Sie schöpfte mit der Kelle eine bestimmte Menge heraus und rührte den Kalkmörtel an, den sie morgens immer auf der Wand zu verstreichen pflegte. Auch hier nahm ihr Meiko wortlos den Spatel ab und trug die Masse sehr dünn und gleichmäßig auf.
    »Hast du heute nichts anderes zu tun?«, fragte sie misstrauisch.
    »Ist zu nass, um die Gartenarbeit zu machen.« Noch immer misstrauisch, beäugte sie seine Arbeit, gab dann aber zu: »Das machst du gut.«
    »Ist nicht die erste Wand, die ich tünche!«
    »Schön, dann rühre ich inzwischen die Farben an.«
    Mit dem Wasser vermischte sie die Farbpulver, die sie benötigte, und legte die Pinsel bereit. Als Meiko mit dem Putzauftrag fertig war, begann sie mit zügigen Strichen, die Figur zu tönen.
    »Ihr arbeitet ja wie gehetzt, Meister Clemens«, bemerkte Meiko mit einem kleinen Lächeln.
    »Notgedrungen. Du hast eine große Fläche mit Putz versehen. Sie muss bemalt sein, bevor sie trocken ist.«
    »Warum das?«
    »Weil sich die Farben mit dem Kalkmörtel verbinden und durch das Trocknen dauerhaft fixiert sind.«
    »Das verlangt eine sichere und schnelle Hand!«
    »Ganz richtig. Freskenmalerei ist nichts für Zauderer, die lange darüber nachdenken müssen, welche Formen und Farben gewählt werden sollen. Man muss sofort wissen, was notwendig ist.«
    »Wohl auch ein Charakterzug desjenigen, der sich dieser Kunst widmet.«
    Kristin lächelte vor sich hin.
    »Vielleicht.«
    »Nun, dann will ich Euch nicht länger stören. Ich bringe noch einen Eimer Wasser, damit Ihr einen Vorrat habt.«
    Ich sah ein, dass Kristin mich an diesem Morgen nicht zur Unterhaltung brauchte, und suchte den Weg in den Kreuzgang. Ja, die Sonne war hervorgekommen, und es gab ein paar lauschige Plätzchen zwischen den Säulen, in denen man die Stille genießen und später auch dem Gesang der Mönche lauschen konnte. An den monotonen Singsang hatte ich mich inzwischen gewöhnt, und manchmal machte ich mirsogar die Mühe, den Worten zu lauschen. Heute gefiel mir der Text.
    »Du lässt die Wasser in den Tälern quellen, dass sie zwischen den Bergen dahinfließen, dass alle Tiere des Feldes trinken
    und das Wild seinen Durst lösche.«
    So sangen sie, und ich sah das Bild der sprudelnden Quelle vor mir.
    »Du feuchtest die Berge von oben her,
    du machst das Land voll von Früchten.
    Du lässt das Gras wachsen für das Vieh
    und Saat zum Nutzen der Menschen.«
    Mein Herz war erfüllt von der Schönheit der Bilder, denn sie sangen von ihr. Von der Schönen, die an der Quelle saß und über die Fruchtbarkeit des Landes wachte. Ich träumte ein wenig vor mich hin und schreckte leider auf, als mit Inbrunst gesungen wurde:
    »Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet,
    und die Erde ist voll deiner Güter!«
    Wieso Herr? Was schieben sie ihrem Gott da alles unter!
    Engelbert schlappte gerade zum rechten Zeitpunkt vorbei.
    »Hast du das gehört?«, fragte ich.
    »Natürlich. Psalmen. Singen sie doch ständig. Steht in ihrer Regel. ›Wenn ihr in Psalmen und Liedern zu Gott betet, dann sollen die Worte, die ihr aussprecht, auch in eurem Herzen lebendig sein. Haltet euch beim Singen an den Text, und singt nicht, was nicht zum Singen bestimmt ist.‹«
    »Also immer dasselbe Zeug. Wie langweilig. Wer hat den Text denn vorgegeben? Auch die Regel?« »Das Buch, das sie Bibel nennen.«
    »Und die glauben alles, was da drin steht?« »Was sonst?«
    »Was wirklich ist.«
    »Für die Menschen ist das wirklich.«
    Engelbert mochte ja ein Orakel in Klosterregeln und Buchwissen sein, aber von den Menschen verstand er nichts. Von der Wirklichkeit auch nicht. Immerhin war er ein netter alter Fettwanst und lud mich auf ein Häppchen Geschnetzeltes ein.
     
    Zu Pater Melvinius kam ich nun leider nicht ins Zimmer, Kristin war mit Arbeit überhäuft, Diabolo war irgendwo unterwegs, der Wald, in dem Raguna vielleicht anzutreffen war, war mir zu nass, also machte ich einen Abstecher zum Kräutergarten. Dort roch es nach dem Regen und in der wärmenden Sonne besonders köstlich.
    Ich gönnte mir einen kleinen Rausch in der Katzenminze.
    Dann Würzmaus.
    Dann Baldrian.
    Dann Schlafen.
    »Habe ich mir doch gedacht, dass ich dich hier finde«, stellte Meiko fest. »Jetzt, da

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