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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gefährden kann?«
    »Wir halten unsere Beziehung zueinander geheim.« »Er ist nur ein Junge, Menard!«
    »Ihr habt Recht. Ich werde noch heute früh zum Clarenhof aufbrechen. Könnt Ihr mir irgendwelche Kleider besorgen?«
    »Yvain wird das tun. Bleib eine Weile dort, Menard. Ich will für dich hier beobachten, ob sich etwas Verdächtiges ergibt.«
    »Haltet auch ein Auge auf die beiden Hendryksons. Mir ist nicht wohl wegen des Überfalls auf Clemens.«
    »Glaubst du, es hat etwas mit dem Feuer zu tun? Gibt es denn eine Verbindung zwischen euch?«
    »Pater Melvinius – ich fürchte, ja. Aber es bleibt mir im Moment keine Zeit, Euch wirklich alles zu erklären. Ich würde gerne vor Tagesanbruch aufbrechen. Es sollten mich so wenig Menschen wie möglich sehen.«
    »Ich hole meinen Diener.«
    Meiko streckte sich und seufzte dabei leise. Er sah müde aus und voller Sorgen. Ich rieb meinen Kopf an seiner Brust, und er streichelte mich geistesabwesend. In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, michmit ihm in seiner eigenen Sprache verständigen zu können. Die Hilflosigkeit machte mich ganz krank.
    Yvain, den offensichtlich nichts erschüttern konnte, brachte Kleider und Stiefel und auch eine weite Kutte. Meiko nickte beifällig und verwandelte sich in einen hoch gewachsenen Prämonstratenser-Bruder. Melvinius ließ ihn leise aus dem Gebäude und setzte sich dann zu mir auf seine Bettstatt. Yvain hatte netterweise auch das Holzbrett vor meiner Fensterklappe entfernt, und ich streckte einmal kurz den Kopf hinaus, um Meiko nachzusehen. Er schritt zügig aus und war alsbald meinen Blicken entschwunden. Ich hoffte, wirklich nur meinen.
    »Mirza, wer ist unser junger Freund?«, fragte Melvinius. »Ich habe den Verdacht, er stammt hier aus dieser Gegend. Er kennt offensichtlich die Dame Caroline gut genug, um ihr seinen Sohn anzuvertrauen. Er ist ein gebildeter und belesener Mann von ausgezeichneten Manieren. Er ist weder als Fischer noch als Gärtner geboren, sondern ein Mann von Stand. Dennoch hat er die rauen und harten Seiten des Lebens kennen gelernt. Verschwiegen war er schon damals, als er in meiner Heimat eintraf. Er habe Schiffbruch erlitten, hat er damals berichtet. Ein niederländischer Kauffahrer war im Sturm auf eine unserer gefährlichen Klippen gelaufen und mit Mann und Maus untergegangen. Ihn hatte es an die Küste gespült, mehr tot als lebend. Die Fischer haben ihn in unser Hospiz gebracht. Wir haben nie herausgefunden, was er auf dem Schiff gemacht hat. War er Matrose oder Passagier, Händler oder Kapitän? Er behauptete, sich an nichts erinnern zu können, konnte aber genug unsererSprache, um sich verständlich zu machen. Er blieb, nachdem er Beatrice kennen gelernt hatte. Und ging ohne Abschied fort, als sie gestorben war. Hat ihn das so sehr erschüttert? Ach, Mirza, ich wünschte, er würde sich mir anvertrauen. Denn auch ich möchte ihm meine Schuld gestehen. Mein Versagen, meine Nachlässigkeit, meine Verantwortungslosigkeit, die Beatrice dazu brachte, die Engelmacherin Stella aufzusuchen. Auch meine Schuld an Stellas Unglück. Das Leid, das ich über sie alle gebracht habe, Mirza, hat mir lange Zeit den Verstand geraubt. Und mich letztendlich hierher geführt. Nun sind sie mir alle wieder begegnet – Menard, sein Sohn und die Spanierin.«
    Melvinius’ Augen waren dunkle Brunnen voll Schmerz und Verzweiflung.
    Ich hatte eine plötzliche Erkenntnis.
    Ganz blöd waren die Menschen wirklich nicht. Meinem gepeinigten Pater konnte nur eine Beichte wirklich helfen. Eine, die er Meiko gegenüber ablegen musste, denn er war der Einzige, der ihm, so es ihm denn möglich war, vergeben konnte.
    Ich hingegen konnte ihm nur wenig geben. »Alles wird gut, alles ist friedlich, alles kommt in die rechte Ordnung«, schnurrte ich auf seinem Schoß. Nach einer Weile hob sich die schwarze Wolke um ihn ein bisschen.
    Wir dösten gemeinsam ein.
     
    Am Nachmittag überprüfte ich die Bibliothek, fand drei neue Mäuse und stillte an ihnen meinen Bildungshunger. Dann verabschiedete ich mich von Melviniusund machte meine Runde. Selbstverständlich wählte ich als Erstes den Weg zur Hütte am Kräutergarten. Man hatte das verkohlte Holz fortgeräumt, aber der Boden war noch geschwärzt, und es roch ausgesprochen widerlich. Der Kräutergarten hatte auch gelitten, war zertrampelt und matschig. Ich verließ die Stätte des Schreckens und schlenderte am Bachlauf entlang. In den Nutzgärten ernteten zwei Männer

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