Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
hatte die seine in dem fremden Land gefunden und einen Sohn mit ihr gezeugt. Aber ein Kater wäre spätestens nach vollbrachter Tat wieder in sein Stammgebiet zurückgekehrt. Meiko hatte das nicht getan. Noch nicht einmal nach dem Tod dieser Beatrice. Wie Melvinius schon richtig feststellte, war er stattdessen weitere elf Jahre durch die Welt gereist.
Warum wollte er sein Revier gerade jetzt zurückhaben? Offensichtlich hatte er in der Zwischenzeit zwar ein schweres Leben gehabt, aber er war nicht verhungert. Obwohl er ein paar Kratzer abbekommen hatte. Aber wenn das, was ich inzwischen von Geld verstand, stimmte, dann hatte er dabei mehr als einen Hungerlohn verdient.
Hatte er sich womöglich nicht nach Hause getraut?
Dann war er nicht ausgezogen, um ein Weib zu finden.
Es gab nur eine weitere Möglichkeit, die dazu führte, dass eine Katze ihr Heim verließ – wenn sie nicht gerade so wie ich einfach entführt wurde –, und das passierte, wenn man von einem Stärkeren vertrieben wurde.
Hatte ihn damals Sivert aus seinem Revier gebissen, sodass er sich ein anderes suchen musste?
Während ich grübelte, stimmten die Mönche in der Basilika wieder ihren Singsang an, und Wortfetzen drangen an meine Ohren.
»Gott der Rache, Herr, Gott der Rache, erscheine. Erhebe dich, Richter der Erde,
vergelte den Stolzen ihr Tun.
Wie lange sollen die Frevler, o Herr,
wie lange sollen die Frevler frohlocken?
Sie fließen über vor frechen Reden;
es prahlen die Übeltäter.«
Deftig, was die da von ihrem Gottvater verlangten. Verlangte es Meiko nach Rache?
Oder Gerechtigkeit?
Von Sivert wusste ich bisher wenig. Er war ein gut aussehender Mann, etwas jünger als Meiko, und wurde von den Frauen umworben. Wie jeder aufrechte Kater nahm er sich, was ihm angeboten wurde. Er war gut Freund mit dem Abt des Klosters, offenbar, weil er häufig Beute hier ablieferte. Nicht Mäuse, sondern Bücher und Reliquien hatte er vorbeigebracht. Mit Arnoldus verband ihn auch eine enge Freundschaft, was nicht besonders für ihn sprach.
Er jagte die Tiere des Waldes.
Raguna schätzte das überhaupt nicht.
Er besaß das Feenhaar, das ihn schützte.
Das wiederum behagte mir definitiv nicht.
Ich kam zu meinem letzten Schluss. Arnoldus hatte Sivert von Meikos Hiersein unterrichtet, denn er war nach dem Gespräch mit Johanna im Kreuzgang nach Rommerskirchen geeilt und vorgestern zurückgekommen. Er hatte daraufhin einen hinterhältigen Mordanschlag auf Meiko verübt, und das gewiss mit Billigung, wenn nicht sogar auf Anweisung des dortigen Herren. Denn auf das Gift, wie Johanna es vorgeschlagen hatte, hatte er ja verzichtet.
Warum wollte Sivert Meikos Tod?
Mir blieb nur eine einzige Möglichkeit, es herauszufinden.
Ich musste nach Rommerskirchen.
Irgendjemand musste Meiko doch helfen.
»Wer steht für mich auf gegen die Ruchlosen,
wer tritt für mich ein gegen die Übeltäter?«, sangen die Mönche.
Eine gute Frage.
Mir ging als Antwort der Kristall mit dem Feenhaar nicht aus dem Sinn.
Raguna lag auf ihrem Lieblingsast einer alten Eiche. Ich erkannte als Erstes ihren Schwanz, der nach unten baumelte, und grüßte sie höflich.
»Na, Fratz. Die Feuersbrunst überstanden?« »Knapp, Gevatterin. Knapp.«
»Schlimme Sache, so ein Feuer. Ich hasse es.«
Sie bequemte sich von ihrem Ast herunter und baute sich vor mir auf. Ein beeindruckendes Tier, soein Luchs. Doch ich schaute nicht nur wegen ihrer Größe voller Achtung zu ihr auf.
»Dein Mensch ist auf dem Clarenhof und hält sich versteckt.«
»Danke.«
Ich war erleichtert. Meiko hatte es also geschafft und ging bestimmt auch Johanna und Ermine aus dem Weg. Schon wegen deren Geschnatter.
»Deine Ohren glühen förmlich, Mirza. Du hast etwas vor!«
»Ja, Gevatterin. Ich habe etwas vor. Und ich brauche dazu deine Hilfe.«
»So so.«
»Du kennst den Weg nach Rommerskirchen.« »Ja, ja.«
»Ich muss etwas über den Herrn dort herausfinden.« »So so!«
»Er besitzt den Feenstein!«
Damit hatte ich Raguna denn doch überrascht. Ihre goldenen Augen wurden zu Schlitzen, und die Büschel auf ihren Ohren zuckten.
»In der Tat?«
»Es heißt, er befinde sich im Schlafgemach des Herrn.«
Raguna grollte, und es hörte sich wahrhaft erschreckend an.
»Durch den tiefsten Wald und über unwegsames Gestein werde ich dich führen, aber nicht in das Zimmer dieses Menschen.«
»Nein, Raguna. Dahin nicht. Das ist meine Aufgabe.«
»Und dann?«
»Ihn von dort wegtragen.«
Sie grollte
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