Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
gefangen.
Mäusekötel!
Immerhin schien aber das Haus nun sehr ruhig, und mir war es möglich, mich in aller Muße umzusehen. Das Bett wirkte gewaltig. Ein Vergleich mit Meikos schmaler Pritsche kam mir in den Sinn, und auch Melvinius’ Lager war bei weitem schlichter. Dieses hier hatte vier hohe Pfosten, über die sich blauer Samt wie ein Himmel spannte, und ein mit üppigen Schnitzereien versehenes Kopfteil. Ich sprang versuchsweise mal auf die Polster und fand sie weich und nachgiebig. Als ich mit der Kralle hineinstach, zog sich ein Fädchen heraus. Das war ein Spiel, das mich einige Zeit gefangen hielt. Danach unterzog ich den Rest des Raumes einer gründlichen Untersuchung. Es gab eine mit Stoff bespannte Abtrennung, hinter der sich eine übel riechende Angelegenheit befand, die die Menschen zu Befriedigung ihrer Notdurft benutzten. Statt die Auswürfesäuberlich zu vergraben, ließen sie sie in einen Topf fallen, der, wenn er nicht gereinigt wurde, schlichtweg stank. Ich wandte mich mit Ekel von dieser Ecke ab. Es gab zwei Truhen mit Kleidung, ein paar ausgetretene Stiefel lehnten müde an der Wand, ein Gestell mit Wasserkrug und Schüssel, beides leer, stand daneben. Ein leichter Katzengeruch traf mich, und gewarnt richteten sich meine Schurrhaare nach hinten. Sollte sich hier trotz der Hunde doch noch eine Katze aufhalten? Ich sog die Luft ein und suchte die Quelle des Geruchs. Beinahe wäre ich die Pfosten des Bettes hinaufgeflüchtet, als ich ihrer ansichtig wurde. Da lag ein gigantischer Luchs neben dem Kamin. Gelbbraun mit dunklen Tupfen. Nur konnte ich bei näherem Hinsehen weder Backenbart noch Pinselohren entdecken. Eigentlich auch keinen Schwanz. Sehr vorsichtig näherte ich mich dem reglosen Tier.
Und blieb entsetzt davor stehen.
Das war kein einzelner Luchs, das war ein ganzes Rudel.
Mindestens acht unterschiedliche Fellzeichnungen und -farben konnte ich erkennen.
Kein einziger bewegte sich.
Sie waren alle tot.
Nur noch Pelze, zu einer Decke zusammengenäht und über einen Sessel geworfen.
Es schauderte mich.
Ich dachte an Raguna.
Ihre Vettern, Schwestern, Kinder...
Ich fühlte namenlosen Zorn in mir aufsteigen.
Es brauchte eine ganze Weile, bis ich wieder ruhig wurde und mich auf meine Aufgabe besann. Mit wachenSinnen durchstöberte ich das Zimmer weiter und traf auf eine wunderliche Sammlung von Gegenständen, die auf einem zierlich geschnitzten Ecktischchen angeordnet waren, und davor ein mit rotem Samt gepolstertes Bänkchen. Auf dem Tisch stand eine Frauenfigur, ähnlich wie die Pieta in der Basilika, aber viel kleiner. Zwei halb heruntergebrannte Kerzen flankierten sie, und ein kleines Buch lag zugeschlagen davor. Das alles war nicht besonders bemerkenswert, dennoch merkte ich, wie meine Rückenhaare anfingen, sich aufzurichten. Ganz langsam trat ich näher.
Es war in dem Samtbeutel.
Ich war mir ganz sicher, dass es sich in dem Samtbeutelchen befand.
Vorsichtig streckte ich die Pfote danach aus und berührte es.
Ich begann zu zittern.
Zog die Pfote wieder zurück.
Ja, es war in dem Beutel. Es strahlte förmlich. Wie unter Zwang griff ich noch einmal zu. Es war nicht schwierig, das kleine Säckchen aufzuzupfen. Heraus glitt ein sechseckiger Kristall, knapp so lang wie meine Vorderpfote. Durchscheinend und schimmernd lag er vor mir auf dem Samt. Darin eingeschlossen befand sich ein feiner, goldener Faden.
Das Haar einer Fee.
Ergriffen saß ich davor und berührte den Stein ganz zart mit meiner Pfote.
Das Gefühl überwältigte mich, und die Erinnerung, lange verschlossen tief im Innersten meiner Seele, drängte sich wieder in mein Bewusstsein.
Vor Jahr und Tag war es, vor langer, langer Zeit, so lange her, dass ich es nicht bemessen konnte. Doch es war der nämliche Ort. Hier in diesem Zimmer schlief jener Mann, der die Fee einst vor den Übergriffen seines Bruders gerettet hatte und dafür eines ihrer Haare, eingeschlossen in einen wasserklaren Kristall, erhalten hatte. Ich lebte bei ihm, seit er ein kleiner Junge war. Ich durfte in seinem Bett schlummern, wurde gestreichelt und bekam aus seinen Händen kleine Häppchen. Vor allem aber vertraute er mir seine Freuden und Sorgen an. Auch noch, als er erwachsen war. Oft ergötzten wir uns an kleinen Spielchen. Darum hatte ich auch in jener Nacht den schimmernden Stein unter seinem Kopfpolster hervorgeholt und ihn auf dem glatten Boden hin und her geschubst. Direkt in die Hände seines Bruders, der leise in den Raum des
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