Die Laute (German Edition)
Schließlich kam die Polizei und habe ihn und Akram mitgenommen, angeblich wegen Anstiftung zu einer Straftat.
Sein Vater habe ihn am frühen Morgen abgeholt und war natürlich alles andere als begeistert. Eigentlich dürfe er gar nicht hier sein. Und lange werde er auch nicht bleiben können. Sein Vater glaube, er sei in der Schule. Wenn er seinen Sohn ein drittes Mal auf einem Polizeirevier abholen müsse, vorausgesetzt, er werde bei einer weiteren Verhaftung überhaupt je wieder freigelassen, werde es wohl nicht mehr bei einer Tracht Prügel bleiben.
Die anderen schauen Amirs Gebärdenbericht regungslos zu. Niemand macht ihm einen Vorwurf, dass er nicht bleiben will.
»Und was ist mir Akram?«, fragt Asis schließlich.
»Ich glaube nicht, dass sie ihn schon freigelassen haben«, gebärdet Amir zitternd »Polizisten mögen keine jungen Lehrer, die ihre Schüler gegen Gesetz und Ordnung aufwiegeln.« – Dann bricht Amir in Tränen aus. Asis braucht keine besondere Phantasie, um sich vorzustellen, was Akram im Polizeigewahrsam zu erwarten hat. Er erinnert sich nur zu gut.
Während er noch darüber nachgrübelt, was sie nun tun sollen, spürt er die schweren Schritte mehrerer Männer im Treppenhaus. Auch die anderen haben die Schwingungen des Bodens wahrgenommen und wenden sich nun der Tür zu.
Der fleischlose Wächter ist der erste, der eintritt. Ihm folgen zwei Männer in den blauen Overalls einer Abrissfirma.
»Packt zusammen, Jungs, bevor euch die Decke auf den Kopf fällt!«, fordert der Wächter sie übereifrig auf und klatscht dabei mehrmals in die Hände, als gelte es, einen Schwarm lästiger Krähen zu verscheuchen.
Womöglich ist es genau dieses Klatschen, das Asis veranlasst, sich hinzusetzen. Und rasch nacheinander folgen die anderen, am Ende sogar Amir, und hocken sich zu ihm, nah beieinander, zwölf junge Männer mit entschlossenen Gesichtern, die sich nun gegenseitig unterhaken.
»Gut, ihr wollt es ja nicht anders!« schimpft der Wächter. »Sagt nachher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!« – Er dreht sich um und stolziert aus dem Raum. Die beiden Arbeiter marschieren hinterher, ohne auch nur ein Wort an die Schüler gerichtet zu haben. Wenn die beiden überhaupt begriffen haben sollten, um was es den Jungen geht, so interessiert es sie nicht im Geringsten.
Sie hören die schweren Fahrzeuge nicht, aber spüren deutlich, wie sie auf der Scharia Arwa heranrollen und vor dem Hotel June stehenbleiben. Ghufran steht auf und schaut auf die Straße hinaus, während die anderen sitzen bleiben und darauf warten, dass Asis ihnen seine weiteren Pläne mitteilt. Aber Asis hat keinen Plan. Er fühlt nur einen wilden Trotz in sich. Er ist kein lästiger, aasfressender Vogel, der sich mit einem läppischen Händeklatschen vertreiben lässt!
Ghufran gebärdet, dass ein Kranwagen mit einer tonnenschweren Abrissbirne und der Mannschaftswagen der Polizei vor dem Haus stünden. Der schlaffhäutige Wächter spreche gerade mit einem der Polizisten, die beiden Arbeiter im Overall stünden neben dem Kran und rauchten eine Zigarette.
Nun holt der Polizist, wahrscheinlich der Chef des Einsatzkommandos, ein Megafon aus dem Fahrerhaus und richtet es auf das Hotel. Er spricht in diese weiße Tüte, doch was er sagt, könne Ghufran nicht erkennen, weil das Gerät seinen Mund verdeckt.
Nun steht auch Asis auf und stellt sich zu Ghufran ans Fenster. Es ist genauso, wie Ghufran es berichtet hat. Alle Blicke, selbstverständlich auch die der Nichtstuer im Café Arwa, sind auf ihr Fenster im oberen Stockwerk des ehemaligen Hotels gerichtet.
Der Polizist setzt das Megafon kurz ab, aber nun, da sie vielleicht das eine oder andere Wort von seinen Lippen ablesen könnten, sagt er nichts. Dann hält er es wieder vor den Mund, doch sein Gesicht bleibt starr und ausdruckslos.
Etwa fünfzehn Bereitschaftspolizisten sitzen von der Pritsche ab. Sie tragen Helme und kugelsichere Westen. Sie glauben doch nicht etwa, die jungen Besetzer seien bewaffnet! Aber wer weiß, was der um seinen Job fürchtende Wächter ihnen alles erzählt hat!
Sie machen keinerlei Anstalten, das besetzte Haus zu betreten, sondern stehen so entspannt da, als bräuchten sie nur ein wenig zu warten, bis die Besetzer freiwillig herausmarschiert kämen.
Einer von ihnen aber richtet nun eine Art Gewehr auf ihr Fenster. Der Lauf dieser Waffe ist so dick, dass man damit Tennisbälle verschießen könnte. Und ehe Asis überhaupt begreift, was hier gerade vor
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