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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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ebenso weißgekalkten Kościél Salwatora, still bescheiden, eine polnische Bäuerin mit Kopftuch, angeblich die älteste Kirche Polens. Darin soll sich ein merkwürdiges Bild befinden: Der nackte Jesus am Kreuz, doch mit goldenen Schuhen an den Füßen. Das hätte meinen Vater gefreut
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    Und rechter Hand nun die hölzerne, achteckige Kapelle der Hl. Margarethe und Judith mit der lebensgroßen Bronzefigur Jan Pavel II, dem Namenspaten des Krakauer Flughafens, im selben warmen Ton wie die Holzschindeln neben der schlichten Pforte
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    Jan Pawel winkt mir flüchtig zu, während er in Gedanken irgendwo anders scheint, zumindest nicht hier auf der aleja Jerzego Waszyngtona, die nun recht abrupt auf die vielbefahrene Księcia Józefa stößt. Ein Stoppschild warnt, die Ampel leuchtet rot, die Bremsbacken qualmen, die blutleeren Finger an den Griffen zittern im Krampf. Bleibt nur noch, die Füße einzusetzen, die goldenen Schuhe, und sie über das Kopfsteinpflaster schleifen zu lassen, meinen Lithostrotos, den ich mit den Zehenspitzen gerade noch erreiche, ein blutiger Spitzentanz, Schürfwunden und Erschütterungen wie in einem Katastrophenballettcomic
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    Vor meinen Augen wird es dunkel, sodass ich das Pflaster nicht mehr sehen kann. Auch wenn mir diese rasende Fahrt lange wie ein halbes Leben erscheint, können nicht mehr als zwei, drei Minuten seit Rafałs Startstoß vergangen sein
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    Nun holt er mich ein, fährt neben mir, freihändig, mit einer Sonnenbrille auf der Nase, schwarze Fassung und breite schwarze Bügel, wie Blinde sie tragen, trotz des trüben Aprilwetters, lässt sein Dolchgrinsen aufblitzen, dass mir erneut schwarz vor Augen wird. Die Straße scheint nur glatt, hindernislos, nachdem das Kopfsteinpflaster wieder von einer Teerdecke abgelöst worden ist, aber wellt sich, was ein Fußgänger nicht sieht und ein Autofahrer nicht spürt. Hier, auf dem Fahrradsattel überträgt sich jede Unebenheit unmittelbar ins Knochengerüst, die toten Katzen auf und die knorrigen Wurzeln unter dem Asphalt, die Frostaufbrüche aus dem letzten Winter und die schwarzfunkelnden Streugutdünen
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    »Zu Fuß zu gehen, wenn man Radfahren kann, ist schlicht und einfach Masochismus!« – Gegen dieses Argument Rafałs wusste ich nichts einzuwenden. Deswegen sitze ich nun hier, sitze und rase zur selben Zeit. Ich hätte ihm antworten sollen, dass er ja selbst für geringe Distanzen bis vor kurzem noch sein schickes Cabrio benutzt habe und ich selbst mit Straßenbahn und Bus bisher doch gut gefahren sei
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    Eine Art Hagel weckt mich wieder auf, hochgewirbelter Split von Rafałs Hinterrad, der mir pfeilscharf ins Gesicht spritzt. Und der, wenn ich die Lider nicht gleich wieder schlösse, mir die Hornhaut perforieren würde. Für den kurzen Augenblick des Hinschauens sehe ich Rafałs Ohren glühen. Vor Glück? Vor Reibung?
    Der Tod kommt in Gestalt einer heranwehenden Einkaufstüte. Zumindest der versuchte Todschlag. Wie soll ich mich von diesem erstickenden und blendenden Plastikbeutel vor dem Gesicht befreien, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen? Auch nur eine Hand vom Griff zu lösen, scheint mir nicht weniger mörderisch als der von Plastikhaut und Fahrtwind drohende Erstickungstod. Ich schüttle wild den Kopf
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    Wenn du nicht sterben willst, frage dich, ob du töten kannst
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    Wenn du nicht töten willst, frage dich, ob du sterben kannst
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    Dann fliegt sie davon, wie alles, früher oder später, absichtslos, wie sie mich attackiert hat. Rafał dreht sich zu mir um, hat von der Plastikattacke wahrscheinlich gar nichts mitbekommen. Nimmt die Brille ab und lächelt mir zu. In seinen Augenwinkeln bilden sich Fältchen, als würde er direkt in die Sonne blinzeln
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56
    Alleine hätte Asis diesen schmalen Ziegenpfad nicht entdeckt, der sich die steile Talwand hinaufwindet. Das ganze Dorf scheint unterwegs zu sein, gutgelaunt, ja ausgelassen, als ginge es hinaus zu einem Picknick. Und wirklich tragen viele Frauen Decken und Körbe mit Datteln, Käse und Brot und Teekannen bei sich. Einzig Idir al-Qaru, der Lehrer, Achmad, der Ladenbesitzer und Salah, der Automechaniker, sind im Dorf zurückgeblieben, alles Zugereiste aus Mukallah oder Am Sawat. Nur Asis hat offenbar die Ehre, an diesem geheimnisvollen Dorfausflug teilnehmen zu dürfen. Er versteht es selbst nicht. Als er so bald nach den Ferien und diesmal ganz allein nach Am Hadidah zurückgekehrt ist, schien niemand darüber verwundert. Scheich Abdul Rahman hat ihn in sein Haus

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