Die Lautenspielerin - Roman
aber dein Kind kann nichts dafür, dass es durch Gewalt gezeugt wurde. Mein liebes Mädchen, so viel musst du erdulden …«
»Cosmè würde nie zugeben, dass Gabriel nicht sein Sohn ist. Aber …«
Endres legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Nicht. Dann lass es dabei. Der Junge braucht einen Vater.«
Coline kehrte mit einem Krug kalten Wassers zurück. »Soll ich mir die Wunde ansehen? Ich weiß ein wenig darüber. Mein Vater und die Gesellen schneiden sich dauernd, und meine Brüder prügeln sich die dummen Schädel grün und blau. Pierre holt den Meister Malar, der beim Fischmarkt gleich neben dem Friedhof wohnt.«
Als sie Endres’ skeptischen Blick sah, fügte sie hinzu: »Ist ein verständiger Mann, nimmt seinen Preis, weiß aber mit der Nadel umzugehen, und die wird wohl nötig sein.« Coline betastete die aufgeplatzte Kopfhaut an Jeannes Haaransatz, bevor sie ein nasses Tuch auf die blutende Wunde drückte.
Es war bereits dunkel, und eine Öllampe warf ihren schwachen Schein auf Jeannes Bett, als Cosmè hereinkam und sich einen Stuhl an ihr Bett zog. »Jeanne, ich muss mit Euch sprechen.«
Aus einem unruhigen Halbschlaf erwachend drehte sie mühsam den schmerzenden Kopf. »Was wollt Ihr noch?«, flüsterte sie heiser. »Seht mich an! Genügt Euch das nicht?« Der Arzt hatte ihr schmerzhafte Blutergüsse vorausgesagt und die Platzwunde am Kopf mit drei Stichen genäht. Die Nadel war ihr bei vollem Bewusstsein durch die Haut gestochen worden, und sie hatte sich auf die Zunge gebissen.
»Ich habe den Herrn bereits um Vergebung gebeten für meine Sünde, auch wenn sie im Vergleich mit Eurer wahrlich gering ist«, sagte ihr Gatte kühl.
»Es gibt also eine Waagschale für menschliche Verfehlungen?«, schnaubte Jeanne verächtlich.
»Reizt mich nicht noch einmal. Es ist allein Eure Schuld, wenn ich die Beherrschung verliere.«
Angewidert wandte Jeanne den Blick zum Fenster. Sie hörte, dass er mit den Zähnen knirschte.
»Ich befehle Euch, in Gegenwart der Dienerschaft mütterliches Gebaren an den Tag zu legen. Das Gerede muss aufhören! Hört Ihr mich?« Er schlug mit der flachen Hand auf das Bettlaken. Sie rührte sich nicht, und er beugte sich dicht über ihr Ohr. »Sonst gibt es Mittel und Wege, mich Euer zu entledigen.«
Ganz langsam wandte sie sich ihm zu und sah ihm direkt in die Augen. »Warum tut Ihr es dann nicht?«
»Ich bin ein guter Christ.«
»Ha!«
Mit einer Hand packte er sie am Hals und drückte so lange, bis sie röchelte. Im nächsten Moment ließ er sie los und schleuderte einen Brief auf den bestickten Saum ihrer Zudecke. »Zudem bin ich ein guter Kaufmann, der ein lukratives Geschäft zu würdigen weiß. Seine Majestät und die Königinmutter sind wieder in Paris und haben Euch vorgeladen. Das habt Ihr der Protektion der Herzogin de Nemours und Eurer englischen Freundin zu verdanken. Über Lady Dousabella kursieren die wildesten Gerüchte, doch sie steht hoch in der höfischen Gunst.«
Bei Hof! Das bedeutete, dass sie im Louvre spielen würde! Theater und Ballett standen hoch im Kurs der Königinmutter. Jeder wusste, dass sie den höfischen Tanz förderte. Plötzlich leuchtete die Zukunft in helleren Farben. Sie würde mit den besten Musikern des Landes spielen und die neuesten Kompositionen kennenlernen.
»Ich kann Eure Gedanken förmlich lesen. Doch Euer Leben spielt sich hier ab. Ihr seid Teil meines Haushalts, und wenn der Hof zurück nach Blois geht, werdet Ihr mit Guillemette und den Kindern aufs Land zu meinem Sohn Arnauld ziehen und den Winter in frommer Abgeschiedenheit verbringen. Und Ihr werdet die schwarze Kleidung einer ehrbaren hugenottischen Frau tragen. Ausgenommen sind nur Auftritte bei Hof.« Cosmè erhob
sich. »Guillemette!«, rief er, und die Kammerdienerin trat hinter einem Vorhang hervor.
Jeanne tastete nach dem Brief und hielt die wertvolle Einladung fest.
»Setz dich hier neben das Bett deiner Herrin und lies ihr erbauliche Psalmen aus der Bibel vor.« Guillemette ließ sich mit raschelnden Röcken auf dem Stuhl nieder, auf dem eben noch Cosmè gesessen hatte.
So weit war es nun schon gekommen, dass sie einer Dienerin zuhören musste, doch in Jeannes Kopf pochte es, und als sie den Versuch unternahm, sich zu erheben, wurde sie von Schwindel gepackt.
»Entsündige mich mit Isop, dass ich rein werde, wasche mich, dass ich schneeweiß werde. Lass mich hören Freude und Wonne, dass die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast.
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