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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge all meine Missetaten …«, trug Guillemette den Bußpsalm in monotonem Singsang vor.
    »Mädchen, wenn du schon nicht singen kannst, dann lies einfach nur die Worte vor. Das erträgt keine arme Seele«, murmelte Jeanne.
    »Ihr solltet von Eurem hohen Ross herunterkommen, Madame. Hier in meinem Leib wächst mein Kind heran, und ich freue mich mit jeder Faser meines gesegneten Körpers darauf, diesem Wesen sein Leben zu schenken. Und Ihr nehmt Euren Sohn nie in den Arm! Das ist Sünde!« Demonstrativ legte sich die Dienerin die Hände auf den gerundeten Leib.
    »Dann lass mich doch lieber die erbaulichen Verse hören«, ergab sich Jeanne in ihr Schicksal und versuchte, die Außengeräusche auszublenden und sich an jede Note einer Sonate von Willaert zu erinnern. Als sie an der Stelle angelangt war, an der sie die Kadenz neu arrangieren wollte, wurde ihr bewusst, dass es still geworden war in ihrem Schlafzimmer. Guillemette war gegangen und die Öllampe heruntergebrannt.

     
    Die Wunden verheilten, doch der Rest an Achtung, den sie für ihren Mann gehegt hatte, war unwiderruflich zerbrochen. Jeanne mied ihn, soweit dies möglich war, und verkroch sich meist in der Werkstatt ihres Vaters. Endres jedoch schien sich immer mehr in seine eigene Welt zurückzuziehen und zeigte ihr dieselben Teile einer Laute, die er bereits vor Wochen geschnitzt hatte. Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass sie den Korpus und die Rosette bereits gesehen hatte, wenn sie beobachtete, mit welcher Liebe er über das schön polierte Holz strich.
    Es war ein warmer Junimorgen. Durch die Fenster trug eine leichte Brise die Geräusche des Hofes und die Gerüche von Pferden und Küche herauf. Jeanne spielte eine Melodie, die sie selbst erdacht dachte und die sie vor Katharina de Medici erstmals öffentlich darbieten wollte.
    »Christine, wir werden in Montpellier erwartet. Pack deine Laute ein, dann sollten wir aufbrechen«, sagte ihr Vater, während er abwesend den Hobel über einen Span zog.
    Entsetzt ließ Jeanne den Federkiel sinken, mit dem sie die Saiten angezupft hatte. »Vater!« Sie setzte die Laute ab, stand auf und umarmte den alt gewordenen Mann. Still legte sie ihr Kinn auf seine immer noch vollen grauen Haare. »Ach, Vater«, flüsterte sie und ließ ihre Tränen achtlos über die Seide des neuen schwarzen Kleides tropfen. Vergessen waren Verbitterung und Groll über Endres’ verhängnisvolle Entscheidung, nach Sachsen zu gehen. Wie konnte sie ihrem Vater vorwerfen, dass er das Beste für sie gewollt hatte? Es war lange her, dass sie an Thomas Froehner gedacht hatte, der mittlerweile gewiss seinen Frieden gefunden hatte. Gott sei seiner armen Seele gnädig, dachte Jeanne und drückte ihren Vater fest an sich.
    »Mein Kind, du erdrückst mich noch!«, sagte Endres plötzlich und schien wieder ins Hier und Jetzt zurückgekehrt.
    »Ich habe dich nur so furchtbar lieb, Vater«, flüsterte sie, bevor sie sich wieder hinsetzte und nach der Laute griff.

     
    Es kam der Tag, an dem Jeanne sich in ihre festliche Robe schnüren ließ, um der königlichen Familie im Louvre ihre Aufwartung zu machen. Der einzige Wermutstropfen an diesem Abend war Cosmè, der sie begleiten würde, denn es war ihm bisher nicht gelungen, in die unmittelbare Gegenwart des Königs vorzudringen. Kaufleute, selbst hochgeschätzte, wurden gewöhnlich im Vorzimmer von Sekretären abgefertigt.
    Jeanne drehte und wendete sich vor dem Spiegel in ihrem nach neuester Mode geschnittenen Kleid, dessen Vertugade in nichts hinter den überdimensionalen Reifröcken der Hofdamen zurückstand, denn nur in angemessen höfischer Kleidung durfte sie vor dem König erscheinen. Das Zurschautragen der Religionszugehörigkeit durch die rabenschwarze hugenottische Tracht wurde als Affront angesehen.
    »Jetzt tief Luft holen, Madame«, sagte Coline und zog die Schnüre des Mieders noch ein wenig enger.
    »Ah! Genug!«, keuchte Jeanne und hätte beinahe den schönen Wasserkrug umgestoßen, der auf dem kleinen Toilettentisch stand. »Ich soll mich setzen und Laute spielen und nicht sofort ohnmächtig werden.«
    »Werdet Ihr schon nicht, wenn Ihr den König und die Italienerin seht. Oh, ich wünschte, ich könnte einmal in den Louvre!«, seufzte Coline.
    Jeanne reckte die Arme in die Luft, damit Coline das Überkleid anlegen konnte. Sie hatte nicht bereut, das Sulzersmädchen ins Haus geholt zu haben, denn Coline war ihr zugetan

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