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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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diese Art von Beulen bildet sich gern um Haarwurzeln.«
    Zu weiteren Erläuterungen kam Gerwin nicht, denn im nächsten Moment stapfte ein offenkundig aufgebrachter Herr mit rotem Gesicht an der Tränke vorbei auf sie zu. Das ängstliche Verhalten des Gesindes machte Gerwin klar, dass es sich um den jungen Paullet handeln musste.
    Arnauld zerrte den kleinen Gänsehirten am Handgelenk mit sich. »Was geht hier vor?«, brüllte er. »Wer hat dir erlaubt, einen Fremden einzulassen? Wo ist Aubert, dein verderbter Bruder? Wieder unter einem Rock zugange?«

    Der Knecht war aufgesprungen und verbeugte sich tief. »Monsieur, nein, ich, er …«, stammelte der Arme, der für seinen Bruder die Wache übernommen hatte.
    Arnauld sah Cosmè sehr ähnlich, wenn auch etwas beleibter, und seine bläuliche Nase zeigte an, dass er dem Wein, den er kelterte, ausgiebig zusprach. Dem weinenden Gänsehirten lief der Rotz aus der Nase, und Gerwin hatte ein schlechtes Gewissen.
    »Monsieur, lasst mich erklären. Aber bitte, der Junge hat doch nichts getan«, begann Gerwin.
    »Er hat mir nicht gehorcht und seine Arbeit vernachlässigt. Dafür wird er bestraft.« Arnauld schubste den Gänsehirten zu Boden. »Rühr dich nicht fort! Und jetzt zu Euch. Was fällt Euch ein, meine Leute von der Arbeit abzuhalten?« Sein Hemd spannte über dem mächtigen Bauch, der von einem silberbeschlagenen Gürtel geziert wurde, in dem Pistole und Dolch steckten. »Und wie kommt Ihr dazu, nach Madame Paullet zu fragen? Wer seid Ihr überhaupt?«
    »Ich bin ein Leibarzt des Prinzen von Navarra«, sagte Gerwin mit größtmöglicher Herablassung und fand seine Notlüge vertretbar. »Derzeit begleite ich die Gesandtschaft von Colonel Schomberg nach Sachsen. Da mir Madame Paullet von früheren Konsultationen aus Paris bekannt ist und mir ihre überhastete Abreise zu Ohren kam, hielt ich es für angemessen, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen.«
    Arnauld Paullet hängte seine Daumen in den Gürtel und erwiderte höhnisch: »Wo ist denn der Colonel?«
    »Die Gesandtschaft ist nach Châlons weitergezogen, wohin ich ebenfalls unterwegs bin.«
    »Nun, Monsieur Leibarzt, Ihr habt Euch umsonst bemüht, denn Madame ist wohlauf und empfängt keine Besuche. Gehabt Euch wohl!«
    So einfach wollte Gerwin es dem selbstherrlichen Gutsbesitzer nicht machen. »Das möchte ich von der Dame selbst hören,
Monsieur, oder ist sie Eure Gefangene? Das würde dem Colonel gar nicht gefallen.«
    Der Gutsbesitzer lenkte ein. »Bitte, überzeugt Euch selbst. Keiner soll sagen, ich behandle meine Gäste nicht angemessen.« Arnauld ging schweren Schrittes auf das Gutshaus zu, das an der Stirnseite des Hofes lag.
    Gerwin folgte ihm durch eine Halle, von der eine Treppe in den ersten Stock führte. Dort hielt Arnauld vor einer niedrigen Tür am Ende eines dunklen Korridors. Er klopfte kurz und stieß die Tür auf. »Madame, der Medicus ließ sich nicht abwimmeln.«
    Gerwins Herz klopfte so laut, dass er meinte, Arnauld müsse es hören, als er an ihm vorbei in den engen, spartanisch eingerichteten Raum trat. Und dort saß sie, ein versteinertes Abbild ihrer selbst, und starrte teilnahmslos aus dem Fenster.
    Jeanne trug die schwarze Hugenottentracht. Ihre Haare wurden von einer weißen Haube verdeckt. Außer einem schmalen Bett gab es nur einen Tisch und den Stuhl, auf dem sie saß. Die Wände waren weiß gekalkt, und nirgends entdeckte Gerwin Jeannes Laute. In einer Wiege lag ein schlafendes Kind. Langsam wandte Jeanne den Kopf. Gerwin erschrak bis ins Mark über ihre traurigen Augen, in denen nur tiefe Resignation zu lesen war.
    »Danke, Monsieur. Lasst die Tür ruhig offen, der Medicus wird gleich wieder gehen«, sagte sie mit kühler Stimme. Sie wandte sich Gerwin zu: »Ihr hättet Euch den weiten Weg sparen können, Monsieur. Es fehlt mir an nichts. Wie Ihr seht, habe ich sogar meinen Sohn bei mir. Mein Vater zog das Stadtleben vor.«
    Fassungslos starrte Gerwin sie an und streckte die Hände nach ihr aus. »Jeanne, bitte, kommt mit mir! Ich kann es nicht ertragen, Euch so zu sehen!«, flüsterte er und trat auf sie zu.
    Jeanne sprang auf und hob abwehrend die Hände. »Monsieur, versteht doch. Ich habe mein Kind, für das ich ich sorgen muss!« Flehentlich sah sie ihn an.
    »Aber wir … Ich reise mit Schomberg nach Sachsen. Kommt mit!«
    »Nein, Monsieur! Es ist sehr gütig, dass Ihr Euch um mein Befinden gesorgt habt.« Vor der Tür knarrten Dielen, und Jeanne beeilte sich zu sagen:

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