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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ersticken. »Gut, ich kuriere dich umsonst, wenn du mir die Madame aus Paris herbringst, die seit einigen Tagen hier logiert.«
    Ein bauernschlaues Grinsen zog über das schiefe Gesicht, das von struppigen Haaren und einer speckigen Lederkappe gerahmt wurde. Die Kleidung des Wachmanns war abgetragen und schmutzig. Paullet schien kein großzügiger Herr zu sein, dachte Gerwin und beobachtete, wie sich die Alte mit ihrem Obstkorb näherte.
    »Eh, ganache , halt nicht Maulaffen feil. Mach, was der Herr Medicus sagt. So eine Gelegenheit kommt nicht so schnell wieder.« Lauernd drehte und wendete sie ihren dürren Hals und wisperte: »Das Vieh behandeln sie besser als uns! Aber was war anderes zu erwarten von dem Hugenottengesindel.« Ihr verschwörerischer Blick traf die königliche Lilie auf der Satteldecke seines Pferdes.
    Gerwin legte eine Hand auf seine Arzneitasche. »Was ist mit deinem Bein?« Offene Wunden, die nicht mehr verheilten, kamen bei alten Menschen häufig vor.
    Der Knecht schnarrte: »Ich kann nicht einfach meinen Posten verlassen« und rief einen etwa fünfjährigen Jungen, der eine Gänseschar vor sich hertrieb. »Geh zu der Pariser Madame und sag ihr, dass ein Medicus hier ist.«

    Gerwin warf dem Jungen eine Kupfermünze zu, und der Kleine schoss davon. Mit seinem Pferd am Zügel ging Gerwin nun in den Hof, in dessen Mitte er eine Wasserpumpe und eine Tränke sah. »Mein Pferd muss trinken, und etwas Hafer kann auch nicht schaden. Wenn du es versorgen lässt, können wir anfangen.«
    »Erst wollt Ihr umsonst kurieren und jetzt dies und jenes!«, murrte der Knecht, doch die Alte gab ihm einen Klaps auf den Rücken.
    »Jetzt mach schon! Was ist ein wenig Hafer dafür, dass er uns hilft. Das tut sonst keiner. Verehrter Medicus, hier ist eine Bank und dort ein Tisch. Da lasst Euch nieder.« Die Alte stellte ihren Obstkorb auf eine lange Bank, von der aus man das Tor und den Hof im Blick hatte.
    Murrend brachte der Knecht Gerwins Pferd zur Tränke. Die Alte hob derweil ihren Rock an und zeigte Gerwin eine mit schmutzigen Lumpen umwickelte Wade und einen geschwollenen Fuß. Nachdem sie sich gesetzt hatte, schnitt Gerwin den Lumpen von der Wade, und der Gestank faulenden Fleisches stieg auf. An dem Lumpen klebte eine stinkende braune Masse. »Was ist das? Und wie lange hast du die Stelle schon?«
    »Ach, was weiß ich, Wochen! Wenn ich nicht arbeite, jagen sie mich vom Hof.« Die Alte zuckte schicksalsergeben mit den knochigen Schultern. Fast stolz fügte sie hinzu: »Die Salbe mache ich selbst! Sie besteht aus Fett, Ringelblumensaft und zerstoßenem Zaunkönig.«
    Gerwin schüttelte den Kopf, während die Alte weiterschwätzte: »Und ich kenne auch ein gutes Mittel gegen Gelbsucht. Man fängt sich eine Fledermaus, spießt sie noch lebend auf und bindet sie dann mit ihrem Rücken auf den Magen, bis sie tot ist. Das zieht die Gelbsucht aus dem Körper.«
    Aus Erfahrung wusste Gerwin, dass er nicht viel für die Frau tun konnte. Die Wundränder waren zerfressen und der Knochen bereits zu sehen. Sie würde ihr Leben mit dem offenen Bein beenden.
Vielleicht wusste sie es auch, doch ein sauberer Verband um die gereinigte Wunde konnte ihr immerhin Erleichterung verschaffen. Zum Schluss strich er über den geschwollenen Fuß und konzentrierte sich mit geschlossenen Augen auf das Wasser darin, das abfließen musste.
    Als er die Behandlung beendet hatte, strich die Alte lächelnd über den sauberen Verband und suchte eine saftige Birne aus ihrem Korb. »Dank Euch, Monsieur Medicus. Ihr seid ein guter Mensch.«
    Hungrig biss Gerwin in die süße Frucht, deren Saft ihm über das Kinn lief. Als er suchend über den Hof blickte, sah er den Knecht mit dem Pferd zurückkommen, doch von Jeanne oder dem Gänsejungen noch keine Spur. Er zog ein scharfes kleines Messer aus seiner Tasche und bat die Alte um eine Schale mit frischem Wasser. Der Knecht nahm den Platz der Alten ein und schloss die Augen, als Gerwin das Messer ansetzte. »Nicht zucken, sonst schneid’ ich dein Ohr gleich mit ab!«, warnte Gerwin.
    Mit angespannten Kiefermuskeln ließ der Knecht die schmerzhafte Prozedur über sich ergehen. Klumpiges gelbes Sekret, durchzogen von Blutfäden, ergoss sich über Wange und Ohr. Als Gerwin zum Säubern Ringelblumentinktur in die Wunde tropfte, schrie der Knecht auf. »Es muss brennen, dann wirkt es. Halt den Schnitt sauber, damit es nicht zu schwären beginnt. Ich empfehle, die Haare an der Stelle fortzuscheren, denn

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