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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sie wieder zu heben. »Du bist ein guter Sohn. Ich war immer so stolz auf dich. Ich habe gewusst, dass du etwas Besonderes bist. Du bist nicht durch Gewalt entstanden, Gerwin. Ich hatte Gefühle für Christoph
… Gott, vergib mir, dass ich dich, Gerwin, mehr liebte als meine anderen Kinder.«
    Gerwin hörte, wie Hedwig, die hinter ihm stand, scharf die Luft einsog. »Nicht, sag das nicht, Mutter«, murmelte er.
    »Ich muss mich bald für meine Sünden beim Schöpfer verantworten, und die Hölle schreckt mich nicht!« Sie bleckte die Zähne und versuchte zu lachen, brachte jedoch nur ein Husten heraus. »Wer mit Friedger Pindus verheiratet war, hat die Hölle bereits durchlebt. Gerwin!« Sie suchte seinen Blick. »Du siehst ihm ähnlich. So lange ist es her, so lange …«
    Ein Zittern lief durch ihren Körper, während ihre Lungen nach Luft rangen und Gudrun ihren letzten Atem aushauchte.
    Gerwin barg das Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos. Seine Tränen galten seiner Mutter, ihrem freudlosen, bitteren Leben und dem Mann, den sie einmal geliebt hatte und der ihr und ihm selbst nichts als Leid gebracht hatte. Er verstand nun, dass Gudrun Friedger geheiratet hatte, weil sie mit ihm schwanger gewesen war. Alnbeck hätte Gudrun niemals geehelicht, welcher Art auch immer seine Gefühle für Gudrun gewesen sein mochten. »Und was hat dir diese Liebe gebracht, außer Unglück?«, murmelte er und schnäuzte sich.
    Als er sanft über das Gesicht seiner toten Mutter strich und ihr die Augen schloss, betrachtete er die einstmals schönen Züge, die entspannt und frei von aller irdischen Qual waren. »Warum nur hast du es mir nicht gesagt?«
    All die Jahre hatte dieses Geheimnis auf ihr gelastet. Er dachte an ihr Lächeln und verstand, dass es dieses Geheimnis gewesen war, das sie alles andere hatte ertragen lassen. Dieses Geheimnis, das sie fast mit ins Grab genommen hätte. Unwillkürlich kamen ihm Hippolyts Worte in den Sinn: »Manchmal treibt man auch den Teufel mit dem Beelzebub aus.«

Vierter Teil

    Paris Bartholomäusnacht

35
    Paris 1572
    Die Glocken von Saint-Germain des Prés läuteten zur Messe. Königin Johanna von Navarra rümpfte kurz die Nase und widmete sich weiter dem Betrachten der exotischen Tiere in den Käfigen nahe der schmalen Brücke Pont Neuf. Sie liebte diese Ausflüge, die sie von ihrer Krankheit und den trüben Gedanken ablenkten. Entgegen den Gepflogenheiten verzichtete die Königin auf das Tragen einer Maske und schlenderte erhobenen Hauptes durch die Menge.
    Jeanne ging dicht neben Hippolyt, welcher von Heinrich beauftragt worden war, der schwerkranken Johanna beizustehen. Die Königin wurde zusehends dünner und schwächer, und Hippolyt befürchtete das Schlimmste. Es gab gute und schlechte Tage, Letztere häuften sich, doch heute fühlte sich Johanna lebendig und ließ sich von einem der verwegen aussehenden Tierfänger erklären, wo der Löwe eingefangen worden war.
    »Was sagt Ihr zu den Tieren? Habt Ihr jemals Ähnliches gesehen?«, fragte Hippolyt.
    Alle, die zu Johanna gehörten, trugen die schlichte schwarze Hugenottentracht, nur die Soldaten des Prinzen von Condé sahen etwas farbenfroher aus.
    Den Schal enger um die Schultern ziehend, denn von der Seine wehte ein kalter Aprilwind herauf, sagte Jeanne: »Sie tun mir leid. Seht nur, wie der prächtige Löwe die Mähne schüttelt und den Kopf hin- und herschwenkt. Er wirkt traurig.« In einem winzigen Käfig hockten zwei Äffchen, die sich umklammerten und
erbärmlich zitterten. »Wie sie frieren! Nein, warum schleppt man sie her?«
    »Die Leute sind amüsiert. Im Louvre sind die Äffchen ganz groß in Mode«, meinte Hippolyt.
    Jeanne erschauerte, wenn sie nur an die verderbte Gesellschaft des Louvre dachte, deren Opfer sie bereits geworden war.
    »Bitte, geht doch nächstes Mal ohne mich zu Katharina. Sie macht mir Angst.«
    »Vergesst nicht, wer Euch den Platz bei Johanna verschafft hat. Ah, Jeanne, Kopf hoch! Ihr seid eine mutige junge Frau. Seht nur, der Mann dort lässt seinen Hund auf den Vorderpfoten tanzen!« Der Medicus wies auf die bunte Menge von Schaustellern und Akrobaten, die sich regelmäßig an der Pont Neuf einfanden, um die Schaulustigen zu unterhalten.
    Jeanne musterte den klugen Arzt, der eine geheimnisvolle Vergangenheit und Freunde in höchsten Kreisen hatte. Nachdem es ihr in Thibie gelungen war, eine Nachricht an Lady Dousabella zu schicken, hatte es vier Monate gedauert, bis ein Bote aus dem Louvre mit

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