Die Lautenspielerin - Roman
wegen Thomas …« Sie sah ihren Vater fragend an.
»Nein, nein. Hier ist kein Platz mehr für uns, war es nie. Bald, Jeanne. Wenn der Lack trocken genug ist, dass wir die Laute transportieren können. Ich weiß zwar noch nicht, wovon wir leben können, aber wir gehen nach Dresden. So kann es nicht weitergehen.«
»Du kannst doch diese Laute verkaufen. Sie ist perfekt!«, sagte Jeanne und warf einen bewundernden Blick auf das exquisit gearbeitete Instrument, dessen in arabischen Ornamenten ziselierte Rosette allein ein Kunstwerk darstellte.
Endres sah sie lächelnd an. »Ich habe sie für dich gemacht. Diese Laute ist unverkäuflich.«
»Aber du kannst mir eine neue fertigen. Wir brauchen das Geld!«
»Nein.« Brüsk erhob Endres sich. »Dieses Instrument ist nur für dich. Alles andere wird sich weisen.«
An den folgenden Tagen beobachtete Jeanne immer wieder, wie Afra und Agathe die Köpfe zusammensteckten und sie mit triumphierenden Blicken bedachten. Als sie einmal das Wort Prozess aufschnappte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Es wäre töricht, die drohende Gefahr länger zu verdrängen, denn sie war davon überzeugt, dass Afra sie denunziert hatte. Als sie ihrem Vater am selben Abend ihre Befürchtung anvertraute, hieß er sie die Sachen packen.
Am nächsten Morgen nahm Endres sie mit in das Zimmer von Thomas, der das Bett nicht mehr verließ, ständig hustete und von heftigen Fieberanfällen geplagt wurde. »Vater, wir möchten dir Lebewohl sagen.« Endres setzte sich auf die Bettkante.
Der betagte Lautenbauer schien um Jahre gealtert, die Wangenknochen zeichneten sich spitz unter der dünnen Gesichtshaut
ab. Doch die hellen Augen blickten wach. »Ich habe es befürchtet, und ich danke Gott für jeden Tag, den ihr in meinem Haus verbracht habt. Nur schäme ich mich für meine Familie …«
Endres drückte ihm die Hand. »Keine Entschuldigungen. Auf jeden von uns wartet der Weltenrichter, und manchem steht ein schwerer Gang bevor. Dir nicht, Thomas. Du bist ein Mann, dessen Schaffen und Herzenswärme jeden, der dich kennen durfte, erfreut hat.«
Jeanne zog sich einen Stuhl heran und strich Thomas eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich wünschte, ich hätte einen Großvater wie dich haben dürfen.«
»Aber du hast ihn doch, Jeanne, mein Kind«, sagte Thomas und blinzelte ihr verschmitzt zu. Sein Blick ging zur Tür. »Wo sind die anderen?«
»Ulmann ist mit Egbert und Erfried in seinem Haus und repariert das Dach. Seitdem sie wissen, dass Franz aus dem Gefängnis von Frauenstein geflohen ist, sind sie ganz verstört«, sagte Endres.
Ulmanns Bemühungen beim Amtmann von Frauenstein waren erfolglos geblieben, und Franz hätte eine lange Gefängnisstrafe und bei ungünstigen Zeugenaussagen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod durch den Strick erwartet. Unverhoffte Hilfe war ihm durch die Badehaushure Uda aus Mulda zuteil geworden, die den Wächter abgelenkt und Franz die Flucht ermöglicht hatte. Seitdem waren die beiden verschwunden.
»Jeanne, geh in die Werkstatt und bring die Theorbe herüber«, bat Thomas sie und hustete.
Endres gab Thomas etwas Wein zu trinken. Als Jeanne mit dem kostbaren Instrument wieder in das Zimmer kam, saß Thomas aufrecht im Bett und unterschrieb ein Schriftstück, welches er mit Endres’ Hilfe versiegelte und ihnen reichte. »Darin bezeuge ich, dass Endres der rechtmäßige Eigentümer dieser Theorbe und des Geldes ist, das ich euch jetzt gebe.« Mit einiger Anstrengung zog er einen kleinen Ledersack unter seiner Matratze hervor, den
er unter Endres’ kritischem Blick in dessen Hände legte. »Nimm es. Es ist nicht viel, aber es wird für die Reise und die ersten Wochen in Dresden reichen. Dann wirst du dir einen Namen gemacht haben, Endres, und bedarfst meiner Hilfe nicht länger.«
Endres schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht annehmen. Deshalb bin ich nicht gekommen, Thomas.«
»Du kannst einem Sterbenden nicht seinen letzten Wunsch abschlagen!«
»Nein, nein, dir geht es bald wieder besser!«
»Unsinn. Und ich beklage mich nicht. Nur eines muss ich wissen.« Thomas Froehner beugte sich vor und packte Endres an den Schultern. Seine Stirn glänzte fiebrig. »Warum bist du damals gegangen, Endres?«
Mit angehaltenem Atem wartete Jeanne auf die Antwort ihres Vaters, der den Blick senkte. Dann sah er Thomas in die erwartungsvoll aufgerissenen Augen. »Die Frau, die ich heiraten wollte, war Brigitte Waldeck.«
»Gudrun Pindus’ Schwester!«,
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