Die Lautenspielerin - Roman
Kaiser verscherzen will, und der ist nun einmal Katholik. Der Kurfürst will Frieden, und er hat erreicht, was vor ihm keiner geschafft hatte: Seit dem Augsburger Religionsfrieden hat Sachsen keinen Krieg mehr geführt. Aber die Herstellung der inneren Ordnung hat einen Preis. Widerspruch ist nicht erwünscht. Die Kurfürstin selbst hat sich öffentlich gegen die Calvinisten ausgesprochen.«
»Jerg und ich waren nie Soldaten, wir haben auf unsere Weise für unsere Überzeugung gekämpft«, sagte Hippolyt. »Aber seit König Philipp II. seinen Bluthund Alba ins Spiel geworfen hat, haben sich die Vorzeichen geändert, und wir alle müssen geben, was in unseren Kräften steht. Jerg mobilisiert adlige Gleichgesinnte, die Gelder für Oranien sammeln. Peucer und die Philippisten sympathisieren mit unserer Sache.«
»Aber wenn das öffentlich wird, würden sie die Gunst des Kurfürsten verlieren«, meinte Gerwin.
»Und die kurfürstliche Gunst zu verlieren kann einen leicht das Leben kosten«, fügte Seraphin hinzu. »Es lebt sich leicht im Licht, aber die Schatten fallen schwer und zermahlen einen.« Mit finsterer Miene zog er den Brief aus seinem Gürtel. »Antonio hat mir geschrieben, und das dürfte dich interessieren, Gerwin. Die schöne Lautenspielerin ist der Hexerei bezichtigt und ins Gefängnis geworfen worden.«
Gerwin erbleichte und dachte im nächsten Moment an seine Begegnung mit Adelia. Er hatte Jeannes Namen genannt. Wenn es nun seine Schuld war, dass die schöne Französin angeklagt wurde?
»Was ist denn, Gerwin?«
»Gib ihm Zeit, Seraphin. Er ist noch geschwächt«, mahnte Hippolyt.
»Gott helfe mir, dass es nicht meine Dummheit ist, die Jeanne ins Unglück gestürzt hat. Bevor ich Adelia erkannte, habe ich gedacht, sie wäre Jeanne, und ihren Namen ausgesprochen. Hast du nicht selbst gesagt, man müsse den Hass einer Frau fürchten, Seraphin?« Gerwins Stimme war brüchig.
»Nun, nun, dem muss ja nicht so sein, aber merkwürdig ist es schon …«, sinnierte Hippolyt. »Vindicta nemo magis gaudet quam femina . 13 «
13
Nur wenige Tage waren ihr im Glanze des Dresdner Hofes vergönnt gewesen. Wenige kostbare Tage, in denen die hohen Herrschaften sie mit Komplimenten überhäuft und ihre Musik gefeiert hatten. Nun fand Jeanne sich auf einem stinkenden Strohsack auf einem kalten Steinboden wieder. Die Wände waren feucht. Es roch nach Schimmel, Urin, Kot und Erbrochenem.
Sie reckte den Hals, um etwas Licht und frische Luft zu erhaschen, welche nur spärlich durch den Fensterspalt drei Fuß über ihrem Kopf strömten. Ihr Kleid, welches sie mit Sorgfalt geflickt und für ihr Auftreten bei Hofe gepflegt hatte, war ruiniert. Der Kerkerhaft war der feine Stoff nicht gewachsen. Seit vier Tagen hockte sie in diesem elendigen Loch und wartete auf Nachricht von ihrem Vater. Dabei hatte es so verheißungsvoll begonnen!
Kapellmeister Scandello war die erste große Hürde gewesen, und sie hatte ihn mit ihrem Können wahrlich überzeugt. Seiner
Fürsprache hatte sie es zu verdanken, dass sie vor der Kurfürstin Anna hatte spielen dürfen. Die Kurfürstin war mit ihren Hofdamen, allesamt prächtig gekleidet, erschienen, doch Anna von Sachsen hatte alle an Eleganz und Anmut übertroffen. Das helle, gekrauste Haar der Fürstin war unter einem schräg auf dem Kopf sitzenden Barett festgesteckt, der schlanke Hals von breiten, mit kostbaren Steinen bestickten Bändern geschmückt, und ihr dunkles Kleid bestach durch Schlichtheit und Raffinesse. An einer goldenen Kette hing ein Kreuz zum Zeichen der frommen Gesinnung der Fürstin, deren intelligente Augen aus einem offenen Gesicht mit spitzem Kinn blickten. Nach dem Konzert hatte die Kurfürstin sie zu sich rufen lassen, ihr musikalisches Talent vor dem Hof gelobt und den Wunsch geäußert, dass Jeanne für sie spielen möge.
Verzweifelt presste Jeanne die Lippen aufeinander und ließ den Tränen freien Lauf. Ihr Vater war so stolz auf sie gewesen, und als sie ihn darum gebeten hatte, die Heirat mit Cosmè noch aufzuschieben, hatte er eingewilligt, denn ihre Zukunft am Dresdner Hof schien gesichert. Es zwackte auf ihrem Kopf, und Jeanne kratzte sich. Der Strohsack war voll von Flöhen, auf ihren Unterarmen zeigten sich die Bissspuren der blutsaugenden Tierchen. Hieß es nicht so trefflich, dass Hochmut vor dem Fall käme? Und dabei war es nicht Überheblichkeit gewesen, die sie mit Stolz erfüllt hatte, als sie vom Haushofmeister mit ihrem Vater in den Festsaal
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