Die Lautenspielerin - Roman
mignonne . Wir gehen fort von hier, zurück nach Frankreich, wie du es wolltest.«
»Und wo ist die Begnadigung dieser Angeklagten?«, fragte der Gefängniswärter. »Es muss ja alles seine Ordnung haben.«
Peucer entfaltete einen Bogen, auf dem ein fürstliches Siegel zu sehen war. Noch gehörte der Arzt zu den Vertrauten des Kurfürsten, auch wenn die Opposition, die gegen ihn und die Philippisten arbeitete, immer mächtiger zu werden schien.
Der Wärter wollte das Dokument in seine schmutzigen Finger nehmen, doch Peucer zog es fort. »Lies, wenn du dazu imstande bist!«
»Aber gewiss doch, Euer Gnaden, in meiner Stellung wäre es hinderlich, wenn ich die Befehle nicht lesen könnte.« Er hielt die knollige Nase dicht über das Papier. »Von der Kurfürstin selbst!« Mit einer tiefen Verbeugung machte er einen Schritt rückwärts. »Bitte sehr, die Herrschaften, nicht länger im Wege stehen soll der verlängerte Arm der kurfürstlichen Gewalt.«
Jeanne klammerte sich an ihren Vater, während sie den schrecklichen Ort verließen. Sie schämte sich, weil sie stank wie eine Kloake, und über ihr Aussehen wollte sie gar nicht erst nachdenken. Mit gesenktem Kopf ging sie zwischen ihrem Vater und Cosmè durch den langen Gang, der von Türen gesäumt wurde, hinter denen andere Unglückliche ihr Schicksal erwarteten. Jemand weinte, und aus einer Zelle klangen die eindeutigen Geräusche einer Notzüchtigung, die der Wärter mit einem hässlichen Grinsen quittierte.
Peucer trieb die kleine Gruppe zur Eile an. »Verlassen wir diesen unsäglichen Ort, an dem Justitia nicht immer anwesend ist.«
»Sagt so etwas nicht, Euer Gnaden, mancher hat schneller ein Quartier bei uns bezogen, als ihm lieb war …« Der Wärter führte sie einige Treppenstufen hinauf in einen erleuchteten Raum,
der als Vorhof zur Gefängnishölle diente. »Gehabt Euch wohl.« Mit einer übertriebenen Verbeugung entließ er sie durch eine gesicherte Tür in eine Halle, die sich zum Schlosshof hin öffnete.
Als Jeanne die frische Abendluft spürte, seufzte sie auf. »Lieber Gott, ich danke dir für deine Gnade!« Dann besann sie sich und wandte sich an den Leibarzt. »Euer Gnaden, es scheint vielmehr, dass ich meine Rettung Euch zu verdanken habe.«
Peucers Miene war ernst. »Nun, zu einem Teil. Es sind die Fürsprache Eures Vaters und die Eures zukünftigen Gatten, die uns dazu bewogen haben, Euer Anliegen der Kurfürstin vorzutragen.«
Jetzt nickten die beiden Damen, in denen Jeanne zwei Hofdamen aus dem Gefolge Annas von Sachsen erkannte. Kostbarer Schmuck und Gewänder aus Brokat unterstrichen ihren hohen Rang.
»Una Gräfin von Eulenburg«, stellte Peucer die erste Hofdame vor. »Und Erika Freiin von Gessnitz.« Beide Damen neigten kaum sichtbar die Häupter.
Jeanne hatte das Gefühl, dass die Damen es für weit unter ihrem Stand hielten, sich um das Wohl einer Fremden kümmern zu müssen. Doch anscheinend hatte ihre Fürstin es so angeordnet. Erika von Gessnitz hatte eine leicht himmelwärts geschwungene Nase, die Augen standen zu eng, und die Wangen waren zu voll, doch ihr Selbstbewusstsein schmälerte die äußere Unvollkommenheit nicht. Sie wedelte mit ihrem nach Lavendel und Thymian duftenden Tüchlein vor ihrer Nase herum und sagte: »Ihre Königliche Hoheit, die allerherrlichste Kurfürstin, wünscht Euch morgen früh zur achten Stunde in ihrem Garten zu sehen. Es sei Euch anempfohlen, bis dahin reisefertig zu sein.«
Sie rümpfte noch einmal angewidert das adelige Näschen und stolzierte an der Seite der Gräfin davon. Nach den Anstrengungen der vergangenen Tage fiel es Jeanne schwer, sich auf den Beinen zu halten und den Anweisungen konzentriert zu folgen. Ängstlich drückte sie die Hand ihres Vaters.
»Euer Gnaden, wir werden morgen früh wie gewünscht vor Ort sein. Und lasst mich Euch noch einmal unseres tiefsten Dankes versichern«, sagte Endres.
Doch der Leibarzt schien mit den Gedanken bereits bei anderen Aufgaben zu weilen und reichte ihnen das Begnadigungsschreiben. »Euer Pass in die Freiheit. Es tut mir leid, dass Euer Aufenthalt in dieser schönen Elbstadt von solch schrecklichen Erlebnissen vergällt wurde, doch letztlich konnten wir alles zum Guten wenden. Gehabt Euch wohl und Gottes Segen!«
Die hohe schwarze Gestalt schritt mit wehendem Umhang über den Schlosshof. Die Wachtposten am Torhaus schienen informiert, denn sie wurden ohne Schwierigkeiten hindurchgelassen. Bis auf einen Wasserträger und zwei
Weitere Kostenlose Bücher