Die Lavendelschlacht
schon wieder umgezogen. Warum haben Sie uns denn nicht mitgeteilt, dass Sie nicht mehr im Haus Sonnenblick wohnen?« Sie lachte glockenhell. »Jetzt verstehe ich auch, warum Sie in den letzten Tagen keine Post bekommen haben.«
Sie verstand überhaupt nichts! Ein kluger Gedanke würde bei ihr wahrscheinlich an Einsamkeit zugrunde gehen! Ich hatte das Gefühl, dass Sabine fehlende Intelligenz durch übertriebene Freundlichkeit wettzumachen versuchte.
»Hören Sie, ich habe noch nie im Haus Sonnenblick gewohnt. Das Haus Sonnenblick ist ein Seniorenstift.« Langsam hatte ich aber die Faxen dicke. »Was glauben Sie eigentlich, wie alt ich bin?!«
Sabine ließ sich durch nichts aus der Fassung bringen. »Also wissen Sie, das ist aus dieser Entfernung wirklich schwer zu beurteilen.«
Während ich mich noch munter mit Sabine stritt – ich stritt, sie beschwichtigte –, kam Thomas ins Wohnzimmer spaziert. Er bleckte die Zähne zu einem breiten Grinsen.
Großmutter, warum hast du so einen großen Mund? – Damit ich dich besser fressen kann!
Endlich hatte Sabine geschnallt, wo sie in Zukunft meine Briefe, Postkarten und Rechnungen hinschicken sollte.
»Die Post ist ja zuverlässiger, als ich dachte«, frohlockte Thomas, nachdem ich den Hörer aufgeknallt hatte. Seine offen zur Schau gestellte Schadenfreude war zu viel für mich. Mir riss die Hutschnur.
»Du Schweinepriester! Ich zeig dich an wegen ... wegen Unterschriftenfälschung.«
»Ach«, ulkte Thomas, »und das ist schon alles? Jetzt hab ich aber Angst.« Er tat, als würden ihm die Knie schlottern.
»Und wegen Beschädigung fremden Eigentums.«
»Und?« Meine Drohungen schienen an ihm abzuprallen wie Regentropfen auf frisch gewachstem Autolack.
»Und wegen seelischer Grausamkeit.« Mehr fiel mir auf die Schnelle nicht ein.
Milde lächelnd schüttelte Thomas den Kopf. »Annette, so kenne ich dich ja gar nicht. Wo ist bloß dein Humor geblieben?«
»Im Haus Sonnenblick«, keifte ich.
Frauen, die aus dem Nichts einen schmackhaften Salat oder einen pikanten Eintopf zaubern konnten, gab es zuhauf. Jetzt würde Thomas mal erleben, wie man aus dem Nichts eine Szene machte, die sich gewaschen hatte.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und baute mich breitbeinig vor ihm auf. »Du packst jetzt auf der Stelle deinen Krempel und verschwindest von hier!«, brüllte ich.
Thomas zog den Kopf ein. Mit einem solchen Ausbruch hatte er nicht gerechnet. »Sag mal, was ist denn eigentlich los mit dir? An Weihnachten hatte ich das Gefühl, wir wären uns langsam wieder näher gekommen.«
»Ja, das Gefühl hatte ich auch. Bis das Christkind seine Gaben hier abgeliefert hat!« Wütend funkelte ich mit Thomas’ neuer Armbanduhr um die Wette. Sie stand ihm gut, stellte ich grantig fest.
Er schüttelte den Kopf. »Du bist ja so was von verbohrt! Wenn du nicht mit diesem blöden Heiratsscheiß gekommen wärst ...«
»Kompliment, Mister Oberschlau! Das hast du dir toll ausgedacht. Jetzt bin ich also auch noch schuld daran, dass du so ... so ...« Mir fiel das passende Wort nicht ein.
»Dass ich so was?«
»... schwanzgesteuert bist!«
»Schwanzgesteuert!?! Pah, einfach lächerlich. Außerdem kann ich tun und lassen, was ich will. Du hast dich von mir getrennt. Schon vergessen?«
Zornig warf ich den Kopf in den Nacken. »Aber nur, weil du ...« In diesem Moment steckte Mona ihre rote Wuschelmähne zur Wohnzimmertür herein. Ich hatte ihr Klingeln gar nicht gehört. Kai musste ihr die Tür geöffnet haben. »Hi, Annette, hallo, Thomas. Ich störe euren netten, kleinen Plausch nur ungern, aber wir sind kurz vorm Verdursten. Könnten Kai und ich vielleicht ’nen Kaffee bekommen?«
Unwillig über diese Unterbrechung fuhren Thomas und ich herum. »Nein!«, brüllten wir im Chor.
»Dann halt nicht.« Mona zuckte gleichgültig die Schultern. »Wirklich schön, dass ihr euch endlich mal wieder einig seid.«
Elf
»Es würde mich brennend interessieren, wo Thomas heute Silvester feiert. Bestimmt ist er mit seiner Tussi nach Paris gejettet und schlürft unterm Eiffelturm Champagner. Mir hat er das schon seit Jahren versprochen«, grollte ich. »Oh, mon amour, je t’aime«, äffte ich Thomas’ Geliebte nach und drückte unter dem Sweatshirt meinen eher dürftig entwickelten Busen push-up-mäßig nach oben.
»Ne, ne, Schätzchen, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, nahm Mona mir den Wind aus den Segeln. »Zumindest nicht, was den Eiffelturm betrifft. Kai und
Weitere Kostenlose Bücher