Die Lavendelschlacht
Einsen treiben. Ich fand es klasse, ganz entspannt durch die Gegend zu surfen.
Ich schnupperte hier, schaute mal dort, und schließlich landete ich durch Zufall auf der Homepage eines großen Versandhauses. Tolle Sache! Egal, ob es draußen regnete, stürmte oder schneite, hier konnte man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit trockenen Fußes neu einkleiden und die Ware ganz bequem nach Hause liefern lassen. Ohne Plattfüße, ohne lange Arme.
Wenn ich nur daran dachte, was es immer für ein Kampf gewesen war, Thomas zu einem Einkaufsbummel zu überreden. Lieber ging er zum Zahnarzt!
Auch wenn das eigentlich nicht mehr in meinen Zuständigkeitsbereich fiel: Langsam wurde es wirklich mal wieder Zeit für ein paar neue Klamotten! Thomas brauchte dringend neue Unterhosen. Selbst nach mehrmaligem Waschen hatten seine alten immer noch frappierende Ähnlichkeit mit rosafarbenen Babystramplern. Die reinsten Liebestöter. Diesen Anblick konnte ich Valerie unmöglich länger zumuten! Wir waren doch jetzt gewissermaßen Freundinnen.
Also begab ich mich auf die Suche. Das Angebot im Adam’s Corner war überwältigend. Hey, da machte Evasein doch richtig Spaß! Besonders die knappen Höschen im »topaktuellen Tigerlook«, wie es im Werbetext unter der Abbildung hieß, überzeugten mich auf Anhieb. Rattenscharf! Ein Klick mit der Maus, und schon lagen sie in meinem Einkaufswagen.
Nachdem ich mich in der Wäscheabteilung nach Herzenslust ausgetobt hatte, startete ich einen Rundgang durch das Einkaufsparadies.
Ein buntes Hawaiihemd? Gekauft!
Herrenslipper mit Fransen und kleinen neckischen Bommeln?
In Kombination mit weißen Tennissocken unschlagbar! Her damit!
Auch bei dem feuerwehrroten Jackett, das so herrlich in den Augen wehtat, war es Liebe auf den ersten Klick.
Ich geriet in einen richtigen Konsumrausch. Ach, göttlich, endlich durfte ich meiner Verschwendungssucht mal freien Lauf lassen!
Als mein virtuelles Einkaufswägelchen mit Waren im Wert von über tausend Euro voll gepackt war, drückte ich auf einen Button, auf dem »Zur Kasse« stand. Äußerst komfortabel: keine Schlange, keine unfreundliche Kassiererin, keine lästige Warterei.
Jetzt machten sich die letzten sechs Jahre – im wahrsten Sinne des Wortes – bezahlt. Nach so langer Zeit wusste man so allerhand voneinander. Auch intimere Details. Ich wusste, wie Thomas aussah, wenn er auf dem Klo thronte und Zeitung las. Ich wusste, dass er keinen Spinat und keine Leber mochte. Ich wusste, welche Stellungen er im Bett bevorzugte. Und, das war das eigentlich Entscheidende, ich wusste seine Kreditkartennummer. Ich tickerte sie ein und beendete den Bestellvorgang.
»Danke für Ihren Einkauf«, blinkte mir ein großer roter Schriftzug entgegen.
»Gern geschehen!«, antwortete ich höflich.
Mit mir und der Welt zufrieden, schaltete ich den Computer aus und harrte der Dinge, die in den nächsten Tagen kommen würden.
Die folgende Woche verging vor lauter Stress und Hektik wie im Flug. Der Freitag rückte unaufhaltsam näher und näher. Meine Nervosität wuchs.
Und dann war der Tag X gekommen.
Natürlich hatte ich das Date nicht abgesagt! No risk, no fun! Ich hatte einen Interviewtermin sogar extra schnell über die Bühne gebracht, um mich in aller Ruhe zurechtzumachen. Aber das mit der Ruhe war reines Wunschdenken. Als ich die Wohnungstür aufschloss, stellte ich zähneknirschend fest, dass Thomas bereits zu Hause war. Och ne, musste das sein? Hatte er denn nichts Besseres zu tun, als hier rumzuhängen? Musste er nicht noch ein paar Häuser entwerfen oder eine Horde renitenter Handwerker zur Schnecke machen?
Ich beschloss, seine Anwesenheit zu ignorieren, warf meinen Mantel über die Garderobe und hörte den Anrufbeantworter ab. Eine Nachricht war von einem Marktforschungsinstitut, das darauf brannte, meine Meinung zum Thema Frauenhygiene zu erfahren. Sollten die sich ihre blöden Tampons doch sonst wohin stecken! Auch mein Steuerberater hatte mir eine Mitteilung hinterlassen. So ein Pedant! Meine Unterlagen seien unvollständig, tadelte er. Aber wahrscheinlich vermisste der gute Mann wie jedes Jahr nur einen winzigen Papierfetzen, den ich als umweltbewusster Bürger schon lange in den Recyclingprozess eingeschleust hatte. Nichts Dringendes also, ich konnte mich getrost meiner Schönheitspflege widmen.
In der nächsten Stunde schrubbte, cremte und rasierte ich mit Feuereifer an mir herum. Zufrieden strich ich über meine glatten Beine. Man konnte ja
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