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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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Stück auseinander, bis sie im Rachen einrastete.
    Plötzlich sah die Wurzel im Maul des Drachen so aus, als würde er Feuer speien.
    Wenn die Schlange Feuer speit und mit der Götter Stimme schreit , erinnerte sich Eve an Feldmanns Rätsel. War die Stimme der Götter das Grollen des Vulkans?
    Ein Klicken ertönte in der Wand links von Eve. Sie drehte sich um.
    »Ja«, sagte Margaret. »Ich war damals auch ganz schön überrascht, als ich das sah. Und anders als du hatte ich noch nie zuvor eine so große Schiebetür gesehen. Schon gar nicht eine, die sich von selbst bewegt.«
    Die ganze Wand glitt zur Seite – und die Lichtstrahlen der Taschenlampen und die Blicke der beiden Frauen fielen in eine dahinter liegende, wesentlich größere Halle.

79
    Obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass das, was ihre Augen erblickten, nach allem, was sie jemals gelernt hatte, nicht wahr sein konnte, zögerte Eve zu ihrer eigenen Verwunderung nicht eine Sekunde, es zu glauben. Schließlich sah sie es genau vor sich. Zugegeben, sie verstand nicht, was sie sah. Aber das war nur umso mehr Anreiz herauszufinden, wieso existierte, was eigentlich nicht existieren durfte. Ein Teil des gewaltigen Rätsels, das zu lösen sie sich aufgemacht hatte. Und nun, da sie es wirklich sah, wusste sie, dass es ganz unabhängig von all dem mystischen und mythologischen Kauderwelsch, mit dem Feldmanns Notizen, Ben und Margaret sie in den vergangenen Tagen und Nächten bombardiert hatten, eine wissenschaftliche Erklärung dafür geben musste.
    Eine Erklärung, die sie finden würde.
    Mit wissenschaftlichen Mitteln.
    Wissenschaft. Das war ihr Terrain. Anders als in der Enträtselung alter Legenden und Historien war sie darin eine Meisterin, eine der besten auf dem Planeten.
    Diese Erkenntnis war befreiend. Sie ließ all die Nervosität, aber vor allem auch die Anspannung der letzten Tage von ihr abfallen, ja, sogar die Schmerzen, sowohl die körperlichen von der Folter in den Katakomben als auch die des Herzens, wenn sie an Ben dachte und daran, dass sie ihn zurückgelassen hatte. Wenn er ihr noch eine Chance geben würde, würde sie ihm helfen – bei was auch immer er ihre Hilfe brauchte.
    Aber das hier hatte Vorrang.
    In der Mitte der aus dem Felsen gehauenen Halle hinter der weggeschobenen Wand stand ein Baum. Ein uralter Baum. Ein echter Baum. Er trug tiefgrüne Nadeln und kleine rote Früchte, die auf den ersten Blick wie Beeren aussahen, aber, wie Eve wusste, keine waren. Es waren Samenkapseln, becherförmig mit roten Fruchtfleischmänteln umhüllt.
    Eine Eibe.
    Eine riesige Eibe.
    Von ihrem Standpunkt aus schätzte Eve den Durchmesser des leicht kurvig gewachsenen Stammes auf mindestens drei Meter. Ihr analytisches Gehirn begann augenblicklich zu arbeiten: Multipliziert mit der Kreiszahl pi ergab das in etwa einen Umfang von fast neuneinhalb Metern. Verglich sie dies mit den Ergebnissen aus ihrer Erforschung anderer Eiben im Rahmen ihres Krebs-Projektes, bedeutete das auf Grundlage eines Durchschnittswertes für die Breite der Jahresringe ein Alter von fast …
    … sechstausend Jahren!
    Schon das allein machte den Baum vor ihr zu einer wissenschaftlichen Sensation. Was ihn aber buchstäblich zu einem Wunder machte, war – abgesehen von der Wirkung, die Margaret versprochen hatte – die Tatsache, dass es hier unten keine Sonne gab, keinen Regen und auch keine Erde!
    Die Eibe wuchs ganz ohne Erde, direkt aus dem nackten Felsen heraus.
    »Voilà!«, unterbrach Margaret die wissenschaftliche Ehrfurcht Eves und knuffte ihr in die Rippen. »Versprochen ist versprochen. Jetzt musst du nur noch von den Früchten essen.«
    »Was?«
    »Die Früchte«, wiederholte Margaret. »Du musst sie essen. Na mach schon.«
    »Die sind hochgradig giftig«, behauptete Eve. »Zumindest die Samen. Also du meinst nur die Fruchtmäntel, oder?« Der rote Fruchtmantel war das einzige ungiftige Teil einer Eibe.
    Margaret schüttelte den Kopf und ging voran in die Höhle. »Nein, nein, die ganzen Früchte, Eve. Mit Samen. Mindestens ein Dutzend. So viele waren es zumindest damals bei mir. Vielleicht musst du aber auch mehr essen als ich, weil du größer bist.«
    Eve zögerte.
    »Was ist?«, fragte Margaret und blieb stehen. Nun sah sie aus wie ein ungeduldiges Kind.
    Doch Eve rührte sich nicht vom Fleck. Etwas stimmte nicht. Ganz unabhängig von dem Baum, der wuchs, wo er eigentlich gar nicht wachsen konnte. Es nagte an Eves analytischem Verstand, und sie entschied, ihn diesem

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