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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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geschworen hatten. Mit wehenden Fahnen sind sie zu William übergelaufen und haben uns im Stich gelassen.
    Wir – Edgar, unsere Mutter, unsere Schwester Cristina und ich – wurden gefangen genommen und sollten in die Normandie verschifft werden. Angeblich, wie William sagte, als Friedensgeiseln. Aber wir alle wussten natürlich, dass man uns ermorden würde, sobald wir das Festland erreichten.
    Nur dank des Mannes, der uns dorthin bringen sollte – Guillaume de Saint-Clair, dein Vorfahre – entgingen wir diesem Schicksal. Statt in die Normandie brachte er uns hierher nach Edinburgh zu König Malcolm. Aber auch, wenn ich ihm dafür heute noch dankbar bin, tat er es nicht aus Gnade, Wohlwollen oder Ehrenhaftigkeit heraus. Nein, auch er wollte einfach mehr Macht, als er unter William hatte.
    Deshalb hat er uns zu Malcolm gebracht, der ihm zum Dank dafür die Baronie Roslin übertrug. Malcolm heiratete mich – und wieder war ich auf Gedeih und Verderb der Gnade eines Menschen ausgeliefert, der sich allein durch meine Geburt Vorteile versprach.
    Malcolm benutzte uns – vor allem meinen Bruder Edgar und mich – als Werkzeuge, um die Angelsachsen Schottlands und Englands, die bei der Eroberung schlechter abgeschnitten hatten als erwartet, unter seinem Banner zu sammeln und gegen William und seine Normannen in den Krieg zu führen.
    Doch er scheiterte. Das heißt, Malcolm ließ meinen Bruder scheitern. Er selbst nahm an dem Krieg gar nicht teil, er zog nur die Fäden im Hintergrund. Nach einigen kleinen Zwischenerfolgen erlitt Edgar eine zerschmetternde Niederlage gegen Williams Truppen in den Sümpfen von Holderness.
    Und wieder geschah, was schon nach unserer Landung in England geschehen war: Unser treuer Verbündeter Malcolm, mein eigener Ehemann, wechselte die Seiten, schloss einen Friedensvertrag mit William und lieferte ihm meinen Bruder aus. Danach behandelte Malcolm mich nur noch wie ein Stück Vieh und steckte meine Mutter und meine Schwester in Klöster. Wir waren nichts mehr wert für ihn.
    Damals beschloss ich zu sterben. Ich hatte in meiner Jugend genug Willkür und Verrat erlitten für zehn Menschenleben. Deshalb habe ich die Früchte der Eibe gegessen.«
    Eve trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Margaret schluchzte eine Weile lang gegen ihre Brust. Dann löste sie sich von ihr und sah ihr fest in die Augen.
    »Aber statt zu sterben, wurde ich plötzlich kräftiger und, wie du siehst, auch jünger. Und als ich merkte, was das bedeutete, beschloss ich, mein Schicksal endlich selbst in die Hand zu nehmen und nie wieder nur Tochter, Schwester oder Gattin von irgendjemandem zu sein, sondern Margaret die Königin.«
    Eve war wirklich gespannt darauf zu erfahren, was danach alles geschehen war. Aber das musste warten. Margaret hatte die Bedingung erfüllt, ihr zu vertrauen, nun war es an der Zeit, auch ihren Teil der Abmachung einzuhalten – den, Margaret zu vertrauen.
    Sie war nun sicher, dass die Samen sie nicht töten würden, und setzte sich in Richtung der Eibe in Bewegung. »Ein Dutzend, sagst du?«
    »Vielleicht brauchst du mehr«, sagte Margaret. »Vielleicht reicht aber auch schon eine.«
    Eve begriff, warum so viele Gralslegenden die Bereitschaft zu sterben als Prüfung beinhalteten, und ein Teil von ihr wollte zunächst Proben von dem Baum sammeln, von der Rinde, den Nadeln und den Früchten, sie untersuchen, um herauszufinden, wie sie wirkten, wie sie den Metabolismus des Menschen veränderten, was an ihnen den Körper veranlasste, ungehindert frische Zellen zu produzieren.
    Aber ein anderer Teil von ihr – zugegebenermaßen der erheblich stärkere – wollte die Gelegenheit beim Schopf packen, jetzt und hier unsterblich zu werden. Sie konnte nicht riskieren, dass nun, da sie ihrem Ziel so nahe war, noch irgendetwas dazwischenkam, der Baum vielleicht doch noch zerstört wurde oder, während sie in der Hotelsuite oder in einem Labor Untersuchungen vornahm, der Zugang zur Höhle einstürzte oder der Vulkan ausbrach und den Baum vernichtete oder, oder, oder …
    Nein, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie es funktionierte, wusste sie doch, dass sie Margaret vertrauen konnte. Die Frucht der Eibe würde sie unsterblich machen. Jetzt. Und wenn sie erst einmal unsterblich war, hatte sie alle Zeit der Welt, Antworten zu finden auf die Frage nach dem wie .
    Sie war bei dem Baum angelangt und streckte die Hand aus.
    »Finger weg!«, rief da eine Männerstimme.

80
    12 Stunden zuvor.
Rom. Villa

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