Die Lazarus-Formel
nach unten um einiges über das Sternbild des Orion hinaus.
Eve deutete darauf. »Das Ribose-Zucker-Molekül sitzt hier genau auf dem Sternbild des Anubis, des Herrn des Todes. Das Rätsel aber sagt, dass der Primus Astrum Lux Aeterna, also der Sirius, den Thron besteigen muss.« Sie holte eine weitere Grafik auf den Monitor: Sirius im Sternbild der Isis.
»Moment, Moment, Moment«, unterbrach Ben sie.
»Ja?«
»Nehmen wir einmal an, Osiris war tatsächlich ein Gott«, brachte Ben zum Ausdruck, was ihm gerade durch den Kopf ging, »und auch der Teil der Legende stimmt, in dem er von den Aesirianern gefangen und besiegt wurde. Dann war er bei weitem nicht mächtig genug, um ganze Sternenbilder zu schaffen, nur um einen Hinweis auf das ewige Leben zu geben.«
Eve lachte auf. »Nein, das stimmt. Das war er mit ziemlicher Sicherheit nicht. Aber er war ganz bestimmt mächtig und langlebig genug, um eine Ansammlung von Sternen, die in etwa der Struktur des Moleküls entspricht, als zu einer Konstellation gehörend zu erklären und ihr seinen Namen zu geben.«
Ben verstand. »Osiris ist das erste Sternzeichen, das überhaupt mit einem Namen belegt wurde. Und erst dadurch, dass es so genannt wurde, nahm der Mensch es als eine Einheit wahr.«
»Exakt«, bestätigte Eve. »Der Sephirot wurde dann entsprechend angefertigt.« Sie hielt den Stein noch mal nach oben. »Aber für seine Zwecke brauchte Osiris drei Sternzeichen: Osiris, Anubis und Isis. Und schon hatte er einen unzerstörbaren Hinweis auf das ewige Leben, der nicht nur für alle sichtbar am Himmel stand, sondern damit auch für alle Zeiten dort darauf wartete, bis die Menschheit so weit sein würde, ihn zu verstehen. Was uns wieder zu der Molekularstruktur des ATP zurückbringt. Erst wenn die Menschheit so weit war, die zu verstehen, konnte sie auch das Rätsel hinter dem Rätsel verstehen.«
Sie zeigte wieder auf den Bildschirm, auf die Stelle, wo das Ribose-Zucker-Molekül über dem Sternbild des Anubis lag.
»Der Primus Astrum Lux Aeternam, der hellste Stern, das Ewige Licht, das Ewige Feuer, muss den Thron besteigen anstelle des Herrn des Todes.«
Sie zeichnete, wie schon vorhin, als sie allein gewesen war, auf dem Bildschirm die Dreier-Phosphat-Gruppe über dem Orion/Osiris nach, aber statt auch das Ribose-Zucker-Molekül über Anubis nachzuzeichnen, ließ sie den Stift zu Sirius und die ihn umgebenden Sterne wandern und zeichnete das langkettige Molekül dort weiter. Dann trat sie einen Schritt zur Seite und zeigte mit dem Finger darauf.
»Das ist das Geheimnis des ewigen Lebens!«
Ben schaute sie fragend an, wollte sie aber nicht schon wieder unterbrechen.
Mit einem geheimnisvollen und zugleich ausgesprochen selbstzufriedenen Lächeln ging sie zu der Tafel zurück und ergänzte die erste Spalte
ATP = Adenosin- TRI -Phosphat ADP = Adenosin- DI -Phosphat AMP = Adenosin- MONO -Phosphat
um eine weitere Zeile:
ATTP = Adenosin- TETRA -Phosphat
»Adenosin-Tetra-Phosphat«, sprach sie es laut aus. »Vier Phosphatgruppen. Osiris und Isis miteinander verbunden. Yggdrasil mit der Wurzel des Baums im Maul der Midgardschlange. Die Quelle der Unsterblichkeit.« Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Komm, frag mich, wieso.«
Ben schmunzelte, obwohl ihre Ausführungen ihn immer nervöser machten. War er endlich am Ziel seiner Suche angelangt?
»Wieso?«, fragte er.
»Zum Ersten«, begann Eve, »liefert ATTP wesentlich mehr Energie für die Zellteilung und das Zellwachstum.«
Sie schrieb auf die Tafel:
ATTP > ATP > ADP > AMP
»Zum Zweiten bindet es erheblich mehr freien Phosphor, der in seiner reinen Form zellschädigend ist. Zum Dritten versorgt es während seines Abbaus die Mitochondrien mit der nötigen Zusatzenergie, um aus AMP und ADP wieder ATP zu synthetisieren.«
Sie ergänzte an der Tafel die Zeile
ATTP > ATP > ADP > AMP
zu
ATTP > ATP > ADP > AMP > ADP > ATP
»Und viertens«, sagte sie dann, »und hier schließt sich der Kreis zum Beginn meiner Forschung, sondert der Abbau von ATTP zu ATP das zellteilungsblockende Taxan Paclitaxel aus dem Organismus ab!« Sie deutete auf die Eiben. »Aber erst das Rätsel hat mir klargemacht, wonach ich suchen muss: nach ATTP . Und ich habe es gefunden. Jede dieser ganz normalen Eiben enthält ATTP . Das ist es, das sie nahezu unsterblich macht.«
» Nahezu unsterblich?«, fragte Ben.
Eve nickte. »Für ganz normale Lebewesen schon eine außergewöhnliche Leistung. Aber ich bin mir sicher, hätte ich
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