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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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kann.«
    »Das ist es, was du wirklich willst?«
    Er senkte den Blick. »Bitte, Eve. So lautete unsere Abmachung: Ich beschütze dich und helfe dir, das Geheimnis des ewigen Lebens zu entschlüsseln, und dafür fordere ich meinen Preis, wenn die Zeit gekommen ist. Jetzt ist die Zeit gekommen.«
    »Der Preis, den du für mein ewiges Leben forderst, ist dein eigener Tod?«
    »Ja.«
    Eve überlegte einen Augenblick, ehe sie sagte: »Gut, ich halte mich an die Abmachung. Aber nicht, ohne alle Antworten zu kennen.«
    »Die kenne ich doch selbst nicht.«
    »Was bist du?«, fragte sie zum wiederholten Mal.
    »Wieso ist das wichtig?«
    »Beantworte die Frage, Ben. Bitte.«
    »Ich weiß es nicht. Zumindest nicht sicher.«
    Weil sie spürte, dass er mittlerweile wenigstens dazu bereit war zu versuchen, es zu erklären, wartete Eve.
    Er setzte sich, seufzte noch einmal und sagte dann: »Ich glaube, ich bin ein Gott. Oder wenigstens so eine Art Gott.«
    Damit hatte Eve dann doch nicht gerechnet. Auch sie musste sich setzen und starrte ihn gespannt an.
    Ben fuhr fort. »Oder ein Engel. Oder ein Alien. Oder so eine Art Abklatsch davon.« Er betonte das Wort »Abklatsch« mit einem nicht gerade geringen Maß an Selbstverachtung. »Die beste Bezeichnung heutzutage ist wohl wahrscheinlich Klon . Ich bin der Klon des Osiris.«

96
    Für eine Weile war es still in dem zum Labor umgebauten Salon der Caledonia . Eve hatte mit allem gerechnet, nicht jedoch damit. Obwohl es, wie sie nun erkannte, von allen möglichen Antworten auf ihre Fragen die logischste war.
    »Was ist ein Klon?«, fragte Margaret und setzte sich auf einen Stuhl.
    »Ein Klon ist ein identischer Nachkomme eines Organismus, der nicht durch Fortpflanzung entsteht, sondern durch Wachstum aus Zellen oder Teilen des Ursprungsorganismus«, sagte Eve beinahe mechanisch wie aus dem Lehrbuch auf.
    »Du meinst, aus dem Teil eines Körpers wächst ein völlig neuer ganzer Körper?«
    Eve nickte. »Aus dem Teil des Körpers oder auch aus einer einzigen Zelle.«
    Auf einmal stieß die kleine Königin einen Pfiff aus, so wie man es tut, wenn man einen erstaunlichen Zusammenhang begreift. Eve fragte sich verwundert, was ihr wohl gerade aufgegangen war.
    »Die Legende des Osiris«, sagte Margaret, als wäre es ganz offensichtlich, was sie dachte. »Das fehlende Glied.«
    Eve zuckte verständnislos mit den Schultern. Sie konnte Margaret nicht folgen. Aber Ben verzog gequält das Gesicht. Seine Niedergeschlagenheit tat ihr leid.
    »Du erinnerst dich daran, worüber wir auf dem Flug von Siena nach Edinburgh gesprochen haben?«, fragte Margaret.
    »Ja«, sagte Eve. »Osiris wurde von Set und den anderen Aesirianern über den ganzen Globus gejagt, schließlich gefangen und erschlagen. Sie haben ihn zerstückelt und die Teile seines Körpers in alle Himmelsrichtungen verteilt. Aber seine Gefährtin, Isis, hat sich auf die Suche danach gemacht, die Teile gefunden und wieder zusammengefügt. Sie hat Osiris wieder zum Leben erweckt.«
    »Richtig«, sagte Margaret. »Aber der Legende zufolge hat sie nicht alle Teile gefunden. Der kleine Finger seiner linken Hand blieb für immer verschwunden.« Margaret deutete auf Ben, und Eve sah ihr an, dass sie ihre Gesichtszüge nur schwer kontrollieren konnte, weil diese sich nicht entscheiden wollten, ob sie tief empfundenes Mitleid oder spontane Belustigung zeigen sollten.
    »Du bist …?«, begann Eve und wusste nicht, wie sie es am besten formulieren sollte.
    »Der kleine Finger.« Ben nickte. »Oder vielmehr das, was daraus gewachsen ist.«
    »Ein identischer Klon des Osiris.« In ihrer Stimme schwang der Respekt der Wissenschaftlerin.
    »Geboren oder besser gesagt zu Ende gewachsen viele Jahrzehnte nach seiner Zerstückelung. Auf einer einsamen Insel mitten im Indischen Ozean.« Bens Stimme klang hohl, und er wirkte, als würde sein Geist gegen seinen Willen in diese Zeit zurückkehren. »Ich entstand dort ohne jedes intelligente Bewusstsein, getrieben nur von animalischen Instinkten. Wie ich später ausgerechnet habe, verbrachte ich über dreihundert Jahre im Dschungel dieser Insel, und zwar völlig allein.«
    »O mein Gott …« Eve fühlte, wie ihr die Vorstellung die Kehle zuschnürte. »Dreihundert Jahre … Ganz allein.«
    »Ganz allein«, bestätigte Ben, und sie merkte, wie schwer es ihm fiel, davon zu erzählen. »Das war das Erste, das ich damals mit dem Verstand begriffen habe: Alle Tiere um mich herum hatten Gefährten, Eltern,

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