Die Lazarus-Formel
kann ich verstehen«, sagte Ben kühl und schaute sie dabei eindringlich an. Im nächsten Moment packte er sie mit einer unglaublich schnellen Bewegung mit der Hand am Nacken und drückte zu.
Bevor Eve reagieren oder auch nur aufschreien konnte, hatte sie das Bewusstsein verloren.
18
Rom.
Villa Borghese.
Touristen und auch die meisten Bewohner Roms kennen die Villa Borghese, den ehemaligen Sommerpalast des borghesischen Fürstengeschlechts bei der Via Piciana, als Kunstmuseum, erworben und angelegt von Kardinal Scipione Caffarelli-Borghese, dem Neffen Pauls V., jenes Papstes, der Anfang des 17. Jahrhunderts der Welt das Wiederaufleben der Inquisition und den Dreißigjährigen Krieg bescherte. Doch wie die meisten Gebäude im oder beim Zentrum der Ewigen Stadt steht auch die Villa Borghese auf den Fundamenten sehr viel älterer Bauwerke und birgt hinter ihrer wundervollen Fassade uralte Geheimnisse.
Diakon Wall war nach Rom gekommen, um Bischof Garden persönlich Bericht zu erstatten. Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Trotz der erhöhten Morphiumdosis, die er sich auf dem Flug hatte spritzen lassen, brannte der frisch verbundene Armstumpf wie Feuer. Er wusste, dass das Debakel von Shrawley Wood nach all den Jahren sein letzter Außeneinsatz für den Orden gewesen sein würde, und es machte ihn wütend. Aber mit nur noch einer Hand war er als Krieger im Kampf gegen den Drachen nicht mehr zu gebrauchen, ebenso nutzlos wie seine von dem unbekannten Angreifer entzwei geschlagene Armbrust.
»Und Sie haben keine Ahnung, wer der Fremde war?«, fragte Bischof Garden. Der Führer des Ordens war Anfang sechzig, und sowohl seine Leibesfülle als auch die Weichheit seiner Züge verrieten, dass die aktive Zeit draußen im Feld bereits viele Jahre hinter ihm lag. Unruhig schritt er nach vorn gebeugt und mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor den prachtvollen Gemälden an der Wand auf und ab, die allesamt ein und dasselbe Motiv zeigten: die Vertreibung aus dem Paradies durch den Engel mit dem flammenden Schwert.
»Nicht die geringste«, antwortete Diakon Wall.
»Woher kam er? Woher wusste er von Ihrer Mission?«
Diakon Wall zuckte mit den Schultern. »Er tauchte trotz gründlicher Aufklärung ohne jede Vorwarnung plötzlich aus dem Nichts auf.«
»So viele Tote …«
»Noch nie zuvor habe ich jemanden so kämpfen oder überhaupt sich so schnell bewegen sehen«, sagte der Diakon, und in seiner Verachtung schwang ein Hauch Respekt mit.
»Das bedeutet, er könnte zu den Anderen gehören. Ein neuer ihrer Spieler vielleicht.« Das glänzende Gesicht des Bischofs war finster, aber auch voller Sorge.
Diakon Wall schüttelte in sicherer Überzeugung den Kopf. »Wäre er einer der Anderen , wäre Eve Sinclair bereits tot. Er aber hat sie beschützt.«
»Wieso?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie darf nicht leben«, sagte Bischof Garden mit einem schweren Seufzer.
»Amen«, stimmte Diakon Wall ihm zu.
»Wir können auf gar keinen Fall zulassen, dass Gottes Gesetze verspottet werden durch Wissenschaft und Ketzerei. Wir müssen die Frau und ihren Beschützer so schnell wie nur irgend möglich finden und unschädlich machen, ehe sie den Zorn Gottes auf uns alle herabrufen. Das ist unsere Mission.«
»Ja, das ist sie«, murmelte der Diakon und schloss die Augen. Der Schmerz, den er mit einem Mal verspürte, war kein rein körperlicher; er kam nicht nur aus seinem Armstumpf, er kam aus seiner Brust. Es war ein Schmerz der Seele. »Und ich bedaure zutiefst, nicht länger Teil dieser heiligen Aufgabe sein zu dürfen.«
»Was reden Sie da, Wall?«, fragte der Bischof irritiert. »Sie behalten selbstverständlich die Leitung.«
Diakon Wall sah Bischoff Garden verwundert an. »Das verdiene ich nicht.«
Der Bischof runzelte die Stirn. »Dies ist nicht die Zeit für eitles Selbstmitleid, Diakon.«
»Es ist bei Gott nichts Eitles daran, wenn ich zugebe, versagt zu haben.«
»Sie haben Ihre Hand verloren, nicht Ihren Kopf«, grollte der Bischof. »Das war der Wille Gottes.«
»Der Wille Gottes?«
Bischof Garden nickte bestimmt. »Wenn Eve Sinclairs unbekannter Beschützer tatsächlich so stark ist, wie Sie ihn schildern – und ich zweifle keine Sekunde an Ihren Ausführungen –, werden wir ihm mit purer Gewalt nicht beikommen. Ihr Verstand, Wall, ist von nun an das Schwert, das Sie im Kampf für die Sache des Herrn führen.«
19
Glastonbury Tor.
St. Michael’s Tower.
Als Eve die Augen wieder aufschlug, saß sie auf
Weitere Kostenlose Bücher