Die Lazarus-Formel
mit einem Tablett zurück, darauf eine große Flasche Mineralwasser ohne Kohlensäure, zwei Gläser, Vakuumpackungen mit kaltem Braten, Käse, Brot, Butter und ein Glas mit Pickles. »Wenn Sie gern etwas Süßes möchten, ich habe noch Schokoriegel im Schrank.«
Sie schüttelte den Kopf und griff nach dem Mineralwasser, um ihnen beiden einzuschenken. »Deftig ist jetzt vollkommen in Ordnung.« Dann schaute sie sich noch einmal um. »Leben Sie wirklich hier?« Wie konnte einem ein solches Versteck auch nicht seltsam vorkommen?
Ohne auf Eves Frage zu antworten, nahm er das Notizbuch und blätterte es ebenfalls einmal kurz mit dem Daumen durch.
»Deutsch und Französisch beherrsche ich ziemlich gut«, sagte sie, während sie eine der Vakuumpackungen mit einem Messer öffnete, sich eine Scheibe Braten nahm und hineinbiss. »Für den asiatischen Teil brauchen wir einen Übersetzer.«
»Sanskrit, Mandarin und Kantonesisch kann ich«, sagte er, als wäre es das Normalste der Welt. Sie schaute ihn aus großen Augen an und vergaß weiterzukauen. Er zuckte die breiten Schultern. »Ich reise viel.«
Einmal mehr erinnerte das Eve daran, dass sie keine Ahnung hatte, wer ihr Beschützer überhaupt war. Auf gar keinen Fall war er irgendein Kerl von der Straße. Alles, was sie von ihm wusste, war, dass er sie vor wem auch immer beschützte, damit sie das Rätsel des ewigen Lebens für ihn löste. Aber was würde geschehen, wenn ihr das gelang und er dann hatte, was er von ihr wollte? Würde er sie danach noch immer beschützen? Oder würde er sie ebenso kaltblütig töten, wie er die mysteriösen Kuttenmänner getötet hatte?
Er drehte sich um und ging in Richtung Ausgang. »Ich bin in gut einer halben Stunde wieder da.«
»Wohin …?«
»Das Auto entsorgen.«
»Was? Was meinen Sie mit ›entsorgen‹?«
»Ihr Wagen muss verschwinden. Er würde uns verraten.«
»Sie können nicht einfach meinen Audi verschwinden lassen«, protestierte sie empört. »Ich habe zwei Jahre darauf gespart.«
Ben trat zu einer Kommode, öffnete eine Schublade und holte etwas heraus. Er kam zurück zu Eve und legte es auf den Tisch. »Das müsste reichen, um sich fünf neue zu kaufen.«
Eve riss die Augen auf. Vor ihr lagen fünf große Diamanten. Sie war sprachlos.
»Wenn unsere Mission scheitert, weil man uns wegen Ihres Wagens entdeckt, werden Sie kein Auto mehr brauchen. Wenn unsere Mission hingegen erfolgreich verläuft – was nicht unwahrscheinlich ist, wenn Sie endlich aufhören, alles, was ich tue, zu hinterfragen –, werden Sie nicht nur Geld genug haben, sich jedes Auto zu kaufen, das Sie wollen, sondern auch die Zeit, sie alle nacheinander so lange zu fahren, bis sie auseinanderfallen. Begreifen Sie, Eve, dass der Verlust Ihres Zuhauses und Ihres Wagens keine Rolle mehr spielt, wenn Sie erst einmal unsterblich sind?«
Eve starrte ihm nach, als er ging. Allmählich dämmerte ihr, dass der Kurs, den sie eingeschlagen hatte, nur zu zwei möglichen Zielen führen konnte: zu ihrem Tod oder ewigem Leben. Nichts dazwischen. Kein Kompromiss. Schwarz oder Weiß, kein Grau.
Sie war losgezogen, das ewige Leben zu finden, aber seither war sie überall nur dem Tod begegnet. Es wurde Zeit, dass sie sich wieder auf die Alternative konzentrierte, auf das einzige der beiden Ziele, das zu akzeptieren sie gewillt war.
Der Verlust ihrer Wohnung und ihres Wagens waren definitiv kein zu hoher Preis für die Unsterblichkeit.
21
Naqada Manor.
Kabir wusste, dass es grundsätzlich nicht klug war, seinen Herrn beim allmorgendlichen Fechttraining zu stören. Aber noch um einiges weniger klug wäre es gewesen, ihm die Nachricht von seinem Scheitern im Labor der Universität nicht augenblicklich zu überbringen.
Der große Mann stand mit gesenktem Haupt vor seinem um noch gut einen halben Kopf größeren Gebieter am Rand des altägyptisch dekorierten Fechtsaals und hoffte, dass der Aristokrat den Säbel mit der breiten Klinge in seiner geballten Rechten nicht dazu benutzen würde, ihn für sein Versagen zu bestrafen.
Für einen Augenblick schien dieser das sogar in Erwägung zu ziehen. Seine dunklen Augen hatten sich zu gefährlich schmalen Schlitzen zusammengezogen, und die Muskeln seines kantigen, makellos glatt rasierten Kinns waren so hart angespannt, dass Kabir seine Zähne knirschen hörte.
»Beschreibe mir den Mann, Kabir«, forderte er, gezwungen kontrolliert atmend.
Kabir gehorchte und lieferte eine detaillierte Beschreibung des Mannes, der
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