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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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Eve an den Kabeln erkennen konnte, die von den Zylindern zu dem Schaltrelais dahinter führten, auf das sie leuchten sollte.
    Ben holte ein größeres Etui aus der Umhängetasche und wickelte es auf. Darin befand sich neben zahlreichen Schraubenziehern, Zangen und Feinwerkzeugen auch ein kleines Amperemeter – ein Strommesser.
    Eve sah Ben dabei zu, wie er damit geschickt hantierend die einzelnen Kabel an ihren Übergängen zu den Schlössern überprüfte und dann diverse Überbrückungskabel anbrachte, um, wie sie vermutete, den Stromkreis umzuleiten. Als er damit fertig war, überprüfte er die Schlösser noch einmal – und lächelte zufrieden. Er nahm eine der Zangen und trennte damit die Kabel, wobei sich Eve nicht nur wieder einmal über all die Fähigkeiten dieses Mannes wunderte, sondern auch ganz gespannt die Luft anhielt, aus Sorge, dass gleich der Alarm losging und sie verraten würde.
    Aber es blieb still, und Ben knackte die Schlösser. Eve ließ die angehaltene Luft langsam und erleichtert aus ihren Lungen entweichen. Er zog die Tür nach innen und deutete ihr voranzugehen, während er das Etui in die Tasche zurücksteckte und sich diese wieder umhängte.
    Eve betrat die Krypta.
    »Wie kommen wir von hier aus nach oben in den Dom?«, fragte sie.
    »Es gibt mehrere Wege«, antwortete ihr Ben. »Einer davon führt direkt hinter den Hochaltar, wo auch der Schrein der Heiligen Drei Könige steht.«
    Er nahm seine Taschenlampe wieder an sich und ging voran in das Labyrinth aus alten Mauern und Säulen. Eve verlor bald die Orientierung, aber sie vertraute darauf, dass er den Weg kannte, auch wenn sie sich nach wie vor fragte, woher.
    Nach wenigen Minuten erreichten sie eine nach oben führende Steintreppe, die an der Wand entlanglief. Sie folgten ihr hinauf bis zu einer massiven Eichentür. Das Schloss darin hielt Ben nur etwa zwei Minuten auf.

32
    Kaum etwas auf dieser Welt ist gespenstischer als das Innere einer gotischen Kathedrale bei Nacht , fand Eve, als sie durch die Tür hindurch in den Dom trat. Und das, obwohl sie gerade durch dessen Krypta gegangen war. Sie fand es schwer zu benennen, was genau daran so gruselig war, aber dass sie sich gruselte, stand außer Zweifel.
    Waren es die Schatten in den Säulen, den Nischen, den Chorkapellen und den Seitenschiffen? All die in Stein gemeißelten Figuren, die im durch die bunten Fenster hereinfallenden Dämmerlicht so lebendig wirkten und den Anschein erweckten, sie zu beobachten? Das hallende Echo von noch so leisen Schritten? Die Stille, die so dicht war, dass Eve glaubte, ihr eigenes Herz schlagen zu hören, und die ihr das Gefühl gab, dass ihr Atmen die heilige Ruhe störte? Oder war es mehr? Waren es die als Kind in sie gepflanzte Ehrfurcht vor einem Haus Gottes und die daraus gewachsene heimliche Angst, dass sich dieser Gott, an den die Wissenschaftlerin in ihr nicht glaubte, in diesem Moment gerade an diesem Ort befand und sie bei ihrem unheiligen Treiben beobachtete, um ihr Verbrechen in das Buch ihres Lebens zu notieren und es am Tag des Jüngsten Gerichts in die Waagschale zu werfen, woraufhin sich entscheiden würde, ob sie in den Himmel durfte oder der ewigen Verdammnis anheimfallen würde?
    Eve schnaubte, verärgert über sich selbst, aber vor allem über eine Institution, die ein so perverses Angst-Belohnungssystem mit der Drohung einer allgegenwärtigen Überwachung ins Leben gerufen hatte, um sich seit Jahrhunderten Abermillionen von Menschen gefügig zu machen.
    Die Selbstverständlichkeit, mit der Ben auf den Hochaltar zuschritt, verriet ihr, dass er offenbar frei war von solchen Ängsten und Zwiespalten.
    Die schwarze Marmorplatte des Altars war nach Eves Schätzung über viereinhalb mal zwei Meter groß. Dicht dahinter stand der Schrein, in einer Vitrine aus mit Spezialfolie überzogenem Glas, das dadurch nahezu unsichtbar war. Sie richtete den Strahl ihrer Taschenlampe darauf, der von dem Spezialglas nicht widergespiegelt wurde, aber das Gold des Schreins funkeln ließ, während sie um die Vitrine herumging.
    Der Schrein war über zwei Meter lang, anderthalb Meter hoch und etwas über einen Meter breit. Von der Form her glich er einer Basilika, mit einem der drei Sarkophage auf die dachförmigen Spitzen der anderen beiden gestellt. Er war um die feinen Reliefarbeiten herum, die die Apostel und die Heiligen Drei Könige bei dem neugeborenen Christus darstellten, über und über mit antiken Schmucksteinen, Juwelen und Perlen

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