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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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sich nur allzu gut vorstellen. Er würde ein Hühnchen mit Eve zu rupfen haben. Wenn sie überhaupt noch lebte. Sein Magen verkrampfte sich bei der Vorstellung, dass sie vielleicht längst tot war. Aber es war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
    Er musste so schnell wie möglich aus dem Zimmer und dem Hotel, ehe das Betäubungsmittel wirkte.
    So ruhig atmend, wie er konnte, um die Wirkung des Narkotikums zu verzögern, rannte er ins Nachbarzimmer, um den Pilotenkoffer zu holen. Darin befanden sich Diamanten, kleine Goldbarren, Bargeld verschiedener Währungen, der Sephirot, Kreditkarten und diverse Ausweise und Pässe, unter anderem ein Diplomatenausweis, der sicherstellte, dass niemand auf der Welt diesen Koffer und Bens restliches Gepäck durchsuchte oder beschlagnahmte. Auf diese Weise hatte er auch seine beiden Schwerter durch die Flughafenkontrollen gebracht.
    Er durfte den Koffer nicht zurücklassen.
    Ben fühlte, wie das Betäubungsmittel allmählich in seinem Körper zu wirken begann, seine Bewegungen verlangsamte und seine Koordinationsfähigkeit beeinflusste.
    Dank seines besonderen Stoffwechsels wurde er besser damit fertig als ein Normalsterblicher, aber betäuben würde es ihn trotzdem früher oder später. Ob für nur ein paar Sekunden oder gar Stunden hing von dem Gift ab. Kurare oder das Gift des Kugelfisches, die beide für Menschen absolut tödlich waren, konnten ihn ganze zwei Tage außer Gefecht setzen. Bis das geschah, musste er sich in Sicherheit gebracht haben.
    Mit Mühe schaffte er es, sich seine Jacke anzuziehen, sich dann die beiden Schwertscheiden auf den Rücken zu schnallen und seine Klingen darin zu verstauen. Dann schleppte er sich hinaus auf den Balkon und sah hinab. Zwei Stockwerke plus Erdgeschoss. Keine große Sache. Er sprang hinunter, rollte sich ab und humpelte quer über die Hauptstraße in eine Seitengasse. Bei der Landung hatte er sich den Knöchel verstaucht. Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Schmerz. Bis er aus der Betäubung erwachte, würde der Knöchel geheilt sein.
    Die Hintertür eines kleinen Imbiss-Restaurants stand offen, und er sah sich sichernd um, ehe er hindurchschlüpfte. Eine Treppe führte ihn in einen Keller. Mittlerweile sah er die ersten Sternchen vor seinen müde werdenden Augen tanzen, und sein Gesichtsfeld zog sich zusammen.
    Noch nicht!
    Verdammt, jetzt noch nicht!
    Taumelnd hinkte er den Gang am Ende der Treppe entlang. Hinter einer kleinen Reihe von Kühlräumen entdeckte er einen Lagerraum. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, über einen Stapel Kisten mit getrockneten Nudeln zu klettern, ohne sie umzuwerfen, und den Pilotenkoffer abzustellen.
    Dann sackte er besinnungslos in sich zusammen.

43
    »Wach auf, Schlafmützchen«, flüsterte eine dünne Stimme aus der Dunkelheit. »Schlafmützchen, wach auf.«
    Etwas piekte Eve gegen die Wange. Noch völlig benommen zog sie den Kopf beiseite – und bereute es im nächsten Moment. Ihr Kopf tat höllisch weh. Es war, als würde jemand mit Nägeln gegen die Innenseite ihrer Schädeldecke kratzen. Außerdem hatte sie einen fauligen Geschmack im noch immer zugeklebten Mund, und durch ihre Nase drang ein modriger Gestank. Die Muskeln ganz steif, lag sie, wie sie allmählich realisierte, auf einem kalten, harten Steinboden, und ihre Glieder schmerzten.
    Irgendwo in der Nähe hörte sie Ratten huschen und pfeifen – und diese seltsam dünne, geisterhafte Stimme. »Na, komm schon, mach die Äuglein auf. Ich weiß, dass du wach bist. Komm-schon-komm-schon-komm-schon.«
    Gruselig.
    Einen Moment lang überlegte Eve, die Augen einfach geschlossen zu halten, wie ein kleines Mädchen, das nachts in seinem Bett liegt und Angst hat und hofft, dass das, was auch immer von ihm nicht gesehen wird, auch es selbst nicht sehen kann.
    Aber dann gewannen die Erwachsene und die Forscherin in ihr, und sie hob langsam die Lider.
    Es war düster, aber nicht stockdunkel. Von irgendwoher drang der flackernde Widerschein von Fackeln oder großen Kerzen. Der Boden, auf dem sie lag, und auch die rußgeschwärzten Wände bestanden aus grob und unregelmäßig behauenem Tuffstein, der sich feucht und unangenehm lebendig anfühlte. Gleich neben Eves Kopf ragte ein rostiges Gitter aus flach geschmiedetem Bandeisen auf. Von dahinter kam die geisterhafte Stimme.
    »Ausgeschlafen-ausgeschlafen-ausgeschlafen.« Die Stimme klang wie ihr eigenes Echo, und in ihrem Tonfall lag etwas hechelnd Gieriges, das Eve eine

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