Die Lazarus-Formel
Konsequenz von Ereignissen, die fast eintausend Jahre zurückliegen. Und stehst du zu dem, was du eben gesagt hast?«
Margaret schaute sie fragend an.
»Dazu, dass du Guillaume und seiner Familie, also mir, etwas schuldest.«
»Absolut. Jetzt mehr denn je.«
»Gut.«
»Was kann ich für dich tun, Eve Sinclair?«
»Ich will, dass du mich zu der Quelle führst.«
»Du meinst, falls wir hier herauskommen.«
»Falls wir hier herauskommen«, bestätigte Eve. Die Befreiung durch Ben war nur ein Traum gewesen, aber sie war sich sicher, dass er nach ihr suchen und sie finden würde. Nun ja, ganz sicher war sie nicht. Wenn er herausbekommen hatte, dass sie für sich eine Kopie von dem Sephirot hatte anfertigen lassen, hatte er jedes Recht der Welt, sie hängen zu lassen.
Margaret überlegte eine Weile lang. Dann sagte sie: »Einverstanden. Aber unter einer Bedingung.«
»Welcher?«
»Du schwörst mir beim Blut der Saint-Clairs, dass du nie jemandem verraten wirst, wo sie sich befindet.«
»Aber ich darf sie untersuchen«, sagte Eve. »Und wenn ich hinter ihr Geheimnis komme und es mir gelingt, es in einem wissenschaftlichen Verfahren zu reproduzieren, steht es mir frei, es mit der Welt zu teilen. Sind wir uns da einig?«
Wieder dachte Margaret lange nach. »Hm. Dagegen ist nichts einzuwenden. Alles, was ich will, ist, dass die Quelle sowohl von den Hütern als auch den Aesirianern unentdeckt bleibt. Sie wollen sie zerstören. Aber wenn es dir gelingt, das Geheimnis woanders zu reproduzieren , wie du es nennst, kannst du damit tun und lassen, was du willst. Allerdings wärst du dann auch die größte Zauberin und Alchemistin aller Zeiten.«
»Du zweifelst daran, dass ich es kann?«
»Ich bezweifle, dass das irgendjemand kann.«
»Wieso?«
»Das wirst du sehen. Falls wir dort hinkommen.«
»Wenn Osiris den Baum oder die Quelle reproduzieren konnte, um das daraus resultierende Ergebnis an verschiedenen Orten der Welt zu verstecken, ist es rein technisch möglich. Ich muss nur herausfinden, wie.«
»Das überlasse ich ganz dir. Ich werde dich zu ihr führen – wenn du schwörst.«
Eve legte sich erneut die Hand aufs Herz und hob die andere. »Ich schwöre feierlich, beim Blut der Familie Saint-Clair, das Versteck der Quelle nie und unter keinen Umständen jemals zu verraten.«
»Gut«, sagte Margaret. »Dann müssen wir ja jetzt nur noch hier herauskommen.« Es lag nicht viel Hoffnung in ihrer Stimme.
Da vernahm Eve Schritte aus dem Gang, der zu dem Raum mit dem Folterkreuz vor den Zellen führte.
Ben ?
Ihr Optimismus verschwand, als sie hörte, dass es die Schritte mehrerer Männer waren.
Diakon Wall betrat das Gewölbe. Hinter ihm der Folterknecht, der Eve ausgepeitscht hatte. Doch dieses Mal brachte er statt einer Peitsche eine Ledertasche und einen Korb aus Metall.
Einen Korb voll glühender Kohlen.
55
Niemand beachtete den großen, dicken Mann, der durch den öffentlichen Park der Villa Borghese schlenderte. Eine Allee von Kirschbäumen erinnert dort noch heute daran, dass Lukullus die Frucht vor über zweitausend Jahren von seinen Feldzügen in der Provinz Asia nach Europa gebracht hatte, um seine Gärten und seine Gelage zu bereichern.
Der Mann trug trotz der beachtlichen Hitze eine altmodische sandfarbene Windjacke, die sich über seinem gewaltigen Bauch gefährlich spannte, und ein Käppi von AS Roma , unter dem hervor lange, speckige schwarze Locken über seine breiten Schultern fielen. Er hatte außerdem eine schon in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts aus der Mode gekommene Porsche-Design-Sonnenbrille auf der Nase, die den größten Teil seines Gesichts bedeckte, und wirkte damit ein wenig wie eine menschgewordene Stubenfliege.
Aus dem prall gefüllten Rucksack auf seinem Rücken ragte eine lange, luftgetrocknete Salsiccia. Hinter dem Eis, an dem er gelangweilt leckte, versteckte er seinen Mund und sein Kinn, das, wie ein aufmerksamer Beobachter hätte erkennen können, viel zu kantig war für einen Mann mit solchen Körpermaßen.
Ganz so, als würde ihm die Idee gerade erst kommen, betrat er gemächlich den schattigen Eingang der für Besucher zugänglichen Galleria , des Kunstmuseums der Villa Borghese.
Die Galleria liegt etwas abseits von der eigentlichen Villa. Aber das, was der Mann suchte, befand sich hier.
Der Angestellte hinter der Museumskasse schaute vom Sportteil seiner Zeitung auf, als der Mann einen Zehn-Euro-Schein auf den Tresen legte, und forderte den
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