Die Lazarus-Formel
Armstumpf um den Nacken des Bischofs, und er zog ihn mit unglaublicher Kraft zu sich herunter – mit dem Gesicht in die Bettdecke über seiner Brust.
Der Bischof strampelte und versuchte zu schreien. Doch Diakon Wall war sehr viel stärker.
Er griff mit der Linken um den Kopf des Bischofs herum und zog die Tropfnadel aus der Beuge seines Stumpfes. Mit einem Ruck riss er sie vom Schlauch und stach sie dem sich vergeblich wehrenden Bischof in die rechte Halsschlagader. Fast gleichzeitig stülpte er die Lippen über das offene Plastikende der Nadel und blies Luft hinein, lange und kraftvoll. Er atmete tief durch die Nase ein und wiederholte den Vorgang dreimal.
Der Körper des Bischofs bäumte sich auf, doch Wall hatte ihn fest umklammert. Die Luft, die er in die Halsschlagader pumpte, führte einen Herz- oder einen Hirnschlag herbei, der bei dieser Menge massiv sein musste.
Und garantiert tödlich.
Der Bischof strampelte mit den über dem Boden schwebenden Füßen, und er schlug mit den Fäusten blindlings um sich. Doch schon wenige Sekunden später wurden aus den Versuchen, sich zu wehren, unkontrollierte konvulsivische Zuckungen.
Noch einmal pustete Diakon Wall durch die Nadel, diesmal nur um sicherzugehen. Dann zog er sie mit den Zähnen aus dem Hals seines Opfers und schluckte das wenige Blut, um keine allzu auffälligen Spuren zu hinterlassen.
Er ließ den immer schlaffer werdenden Bischof vorsichtig los und langsam zu Boden rutschen. Anschließend setzte er die Nadel ohne zu zittern wieder an den Tropfschlauch, sterilisierte sie mit einem Desinfektionstuch vom Tisch, klopfte sie frei von Luft und setzte sie sich wieder in den Armstumpf.
Er entdeckte ein paar kleine Blutstropfen auf seiner Bettdecke und drehte sie herum. Dann erst schrie er aus Leibeskräften: »Hilfe!«
Ein Ordensbruder, der als Krankenpfleger diente, stürzte ins Zimmer und sah den Bischof am Boden liegen.
»Aufregung … zu viel … Herz …«, stammelte Diakon Wall gespielt angestrengt und verängstigt. Er wusste, dass man draußen gehört hatte, wie sehr sich der Bischof über die geglückte Befreiung Doktor Sinclairs und der »Ewigen Gefangenen« aus den Katakomben aufgeregt hatte. Keiner der Brüder würde anzweifeln, dass er einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hatte.
Andere eilten hinzu und versuchten, den Bischof wiederzubeleben, fünf volle Minuten lang.
Vergeblich.
Diakon Wall sah bestürzt zu. So bestürzt, wie er nur dreinblicken konnte. Es fiel ihm schwer bei der Vorstellung, dass er gerade die Leitung des Ordens übernommen hatte.
66
»Noch einen Löffel, und ich platze«, sagte Margaret und legte das Besteck beiseite. Die kleine schlanke Frau hatte sage und schreibe vier verschiedene Eisdesserts verdrückt und drei Kännchen Kakao geleert, die der Etagenservice gebracht hatte, nachdem sie endlich aus dem Badezimmer gekommen war. Verständlich, wie Eve fand, wenn man noch nie Speiseeis gegessen und seit einer Ewigkeit keine heiße Schokolade mehr getrunken hat.
Ben stand an einer langen Wandkommode und inspizierte seine Waffen. Eve betrachtete seine breiten Schultern, die schmale Taille, und ihr Blick blieb an den nackten, muskulösen Waden hängen, die unter dem Saum des Bademantels hervorlugten.
Margaret räusperte sich. »Ich glaube, ich ziehe mich jetzt wohl besser in mein Zimmer zurück«, sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Eve fühlte sich durchschaut und wurde rot.
»Ich freue mich schon auf dieses unglaublich riesige Bett.« Margaret stand auf. »Gute Nacht, Eve.«
»Gute Nacht, Maggie.«
»Gute Nacht, Ben. Und noch einmal danke.«
»Schon gut.« Er lächelte. »Schlaf schön.«
»Ihr auch«, sagte sie und kicherte.
Als Margaret die Tür hinter sich zuzog, begann Eves Herz zu flattern wie ein Kolibri im Käfig. War sie eben nur rot im Gesicht gewesen, glühten ihre Wangen auf einmal förmlich. Sie fühlte sich wie ein Teenager beim ersten Date.
Ben drehte sich zu ihr um.
»Komm her«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, die ihr über die Haut glitt, als wären es seine Hände.
Als sie sich von dem Stuhl erhob, merkte sie, dass ihre Beine zitterten. Da war plötzlich so vieles, das ihr Angst einjagte. Sein hohes Alter und die zweifellos damit einhergehende Erfahrung. Konnte sie als Normalsterbliche seinen Ansprüchen überhaupt gerecht werden? Was, wenn sie ihn enttäuschte? Nie zuvor hatte sie die Befürchtung gehabt, einem Mann vielleicht nicht zu genügen.
Ben schien zu bemerken,
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