Die lebenden Puppen des Gerald Pole
einfach handeln.
Das tat sie auch.
Sie schmetterte die Puppe zu Boden. Sie wollte, dass sie zerbrach, aber das geschah nicht. Es gab zwar ein komisch klingendes Geräusch, doch die Puppe blieb ganz.
Sie stand und schüttelte den Kopf. Sie riss ihr Maul auf. Die beiden langen Zähne waren gut zu sehen, und Emma Hill wusste nicht, was sie noch unternehmen sollte.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, schrie sie Gerald Pole an. »Das ist verrückt!«
»Und auch wahr.«
»Aber wieso?«
»Frag nicht, nimm es hin. Der heutige Abend wird der Wichtigste in meinem ganzen Leben werden. Mich hat die Gnade der Hölle erreicht. Ich bin nicht mehr so wie gestern noch. Ich kann sehen, ich habe ein Wissen bekommen …«
»Aber wieso«, schrie sie dazwischen, »wieso ist es möglich, dass sich Puppen bewegen?«
»Magie, meine Liebe. Die Magie der Hölle. Der Teufel hat sich auf meine Seite geschlagen. Er hat das Potenzial in mir gesehen, und ich bin ihm dafür sehr dankbar.«
Emma Hill sagte nichts. Sie schwieg und schüttelte den Kopf. Aber ihre Augen waren in Bewegung. Sie suchte nach weiteren Beweisen, die sie nicht bekam.
Dennoch glaubte sie daran, dass Gerald Pole die Wahrheit gesagt hatte. Es konnte für dieses Phänomen keine andere Erklärung geben. Begriffe wie Magie und Teufel, die Pole benutzt hatte, schossen ihr durch den Kopf, und dann dachte sie daran, dass Gerald Pole schon immer einen Hang in diese Richtung gehabt hatte. Er hatte an die Hölle geglaubt und auch daran, dass sie in der Lage war, vieles möglich zu machen.
Nun hatte er den Beweis.
Und ich habe ihn auch!, dachte Emma und ging zugleich davon aus, dass sie in der Klemme saß. Sie konnte jetzt nicht weg. Außerdem würde Pole sie nicht weglassen. Sie war eine Zeugin, und bestimmt wurde sie noch gebraucht.
Beide schauten sich an.
Beide atmeten schwer.
Aber nur auf Poles Gesicht erschien ein faunisches Grinsen. »Du hast die Wahrheit gut erkannt, Emma. Auch schon sehr schnell. Und es gibt für dich kein Zurück. Du wirst bei mir bleiben.«
»Habe ich etwas anderes gesagt?«, flüsterte sie.
»Gedacht.«
»Aha, das weißt du?«
»Ja. Ich kann zwar keine Gedanken lesen, aber als Mensch muss man so reagieren. Heute Abend werde ich ein Zeichen setzen. Über meine heiß geliebten Puppen werde ich es tun …«
»Und wie soll das geschehen?«, fragte Emma Hill flüsternd.
Die Haltung des Puppenspielers versteifte sich. »Indem Blut fließen wird. Ja, das Blut der Menschen. Ich schicke meine Puppen unter sie. Schau sie dir an, wenn du willst …«
»Nein, nein, ich kenne sie schon.«
»Aber viele sind neu. Ich konnte ihnen Waffen geben, mit denen sie ein Zeichen setzen werden. Ich schicke meine Mörderpuppen los. Ich zeige den Menschen, wozu die Hölle fähig ist. Der Teufel hat mich eben erhört.«
Emma Hill hatte jedes Wort verstanden. Und plötzlich konnte sie es glauben. Ja, sie brauchte nur einen Blick auf die Puppen zu werfen, die Pole aus dem Koffer genommen hatte. Da stimmte dann alles, denn es gab keine unter ihnen, die sich nicht bewegte.
Manche lagen auf dem Rücken. Andere auf der Seite. Wieder andere Puppen saßen und bewegten dabei ihre Köpfe, als würden sie nach etwas suchen.
Emma Hill verstand die Welt nicht mehr. Sie wusste auch nicht, was sie noch sagen sollte. Innerlich kochte sie, aber ihr Körper selbst fühlte sich kalt an.
Sie wandte sich ab. Jetzt konnte sie in den Zuschauerraum sehen. Dort standen die zahlreichen Stühle in mehreren Reihen. Sie waren nicht fest am Boden verankert. Man konnte noch an den Seiten stehen, was auch bestimmt passieren würde.
Emma wollte nicht, dass Gerald Pole ihr Gesicht sah. Zu viel ging ihr durch den Kopf, und das spiegelte sich auch in ihrem Gesicht wider. Sie hatte nicht vergessen, was er ihr gesagt hatte. Und das war sehr schlimm gewesen. An diesem Abend sollte das Blut der Zuschauer fließen. Das hieß nichts anderes, als dass die Puppen auf die Zuschauer losgehen würden. Und zwar mit Waffen, die man ihnen gegeben hatte.
Keine Pistolen, die waren zu groß und zu schwer. Messer taten da besser ihre Pflicht.
Was tun? Was kann ich tun? Soll ich fliehen? Soll ich noch hier bleiben?
Eine Flucht zog sie zwar in Betracht, aber das würde ihr wohl kaum gelingen. Sie hatte Gerald Pole nicht als einen gewalttätigen Menschen erlebt, doch dazu würde er werden, wenn sie versuchte, von hier zu verschwinden.
Und so entschied sie sich zu bleiben. Auch aus Sorge um die Menschen, die
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