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Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Titel: Die lebenden Puppen des Gerald Pole Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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Koffer brauchte er nicht. Seine Lieblinge passten alle in einen.
    Als er fertig war, hob er den Koffer an und ging mit ihm davon. Niemand sah ihm an, welchen tödlichen Inhalt dieser so harmlos aussehende Mann mit sich herumschleppte. Und genau das hatte er auch so haben wollen …
    ***
    Emma Hill war mittlerweile über fünfzig Jahre alt geworden, und seit sie sich erinnern konnte, hatte sie schon für Puppen geschwärmt. Als junges Mädchen für die verschiedenen Sorten und Arten, wie sie es immer sagte, aber sie hatte keine Puppen gesammelt. Da hätten ihr die strengen Eltern schon etwas anderes erzählt. Es konnte sein, dass sie so etwas als Teufelszeug betrachteten, und da sie sehr fromm waren, mochten sie solche Spielsachen nicht. Puppen, die wie Engel aussahen, schon, aber keine, die auch Böses tun konnten.
    An diesem Tag war Emma Hill wieder im Dienst. Sie saß auf ihrem Lieblingsplatz und schaute sich einen Puppenrock an, der an der Seite einen Riss hatte. Ihn wollte Emma flicken. Vielleicht sogar einen gelben Stoffstreifen über den Riss nähen. In der heutigen Abendvorstellung musste sich die Arbeit bewähren.
    Sie freute sich auf das Stück. Es war so etwas wie eine Premiere. Gerald hatte ihr nichts über den Inhalt verraten und nur mit seiner sonoren Stimme gesagt: »Lass dich überraschen.«
    Darauf wartete sie jetzt. Und natürlich auch auf Pole, der sich mal wieder verspätete. Das kam des Öfteren vor, war aber nie so schlimm, als dass eine Vorstellung ausgefallen wäre.
    Die heutige sollte besonders spannend und gruselig werden, mehr hatte der Chef nicht verraten, und jetzt fieberte Emma Hill dem Abend entgegen.
    Die Vorstellung war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Wer trotzdem noch kam, der musste stehen und zahlte dafür eben weniger Eintritt.
    Sie hatte den Rock fertig, zog ihn der Puppe wieder an und stellte sie auf eine Fensterbank. Die Scheibe dahinter war recht klein. Nur wenig Licht sickerte in das Zimmer. Da war es wichtig, dass künstliches von der Decke leuchtete.
    Emma hatte sich ziemlich lange in der trockenen Luft aufgehalten. Das machte sich jetzt bemerkbar, denn sie hatte das Gefühl, einen Stein im Mund zu haben. Sie brauchte unbedingt einen Schluck Wasser.
    Der Kühlschrank stand nicht weit vom Fenster entfernt. Mineralwasser gab es dort immer, auch jetzt konnte sie unter verschieden großen Flaschen wählen. Sie entschied sich für die kleinste Flasche, öffnete sie und setzte sie an. Das Zeug lief kalt in ihre Kehle. Es erfrischte, es war eine Wohltat, und als sie die Flasche wieder wegstellte, da war sie fast bis zur Hälfte leer getrunken.
    Der erste große Durst war gelöscht. Sie würde auch einen zweiten Schluck nehmen, aber später, denn als sie durch das Fenster schaute, sah sie den Van mit Gerald Pole auf den kleinen Parkplatz hinter dem Gebäude fahren.
    Hier parkten die Autos der Nachbarn, und jeder hatte seinen Platz. Das war untereinander abgesprochen worden.
    Sie schaute zu, wie Gerald Pole ausstieg. Danach holte er seinen großen Puppenkoffer aus dem Wagen. Es gab noch einen kleinen, aber heute hatte er sich für den großen entschieden, und da würden in seinem Stück sicherlich zahlreiche Personen mitspielen. Die Puppen bewahrte er zum größten Teil in seiner Wohnung auf. Dort erschienen sie ihm sicherer.
    Jetzt hatte er es eilig. Das entnahm Emma Hill seiner Haltung. Er ging mit langen Schritten und schleppte den Koffer schleifend hinter sich her. Sein Gesicht war von der Anstrengung gezeichnet, das konnte sogar Emma Hill erkennen, die ihren Platz erst verließ, als Pole schon in der Nähe der Haustür stand.
    Sie befand sich an der Hinterseite des Gebäudes. Vorn war der Eingang für die Zuschauer. Das kleine Theater war vor vielen Jahren einmal ein Kino gewesen.
    Emma Hill wartete in der Diele. Von dort konnte man direkt auf die Bühne gehen. Sie stand neben einem Spiegel und konnte sich sehen, wenn sie die Augen verdrehte.
    Sie sah eine Frau mit langen grauen Haaren, die aber gepflegt nach hinten gekämmt waren und dort in einem Pferdeschwanz endeten. Das Gesicht hatte in all den Jahren so gut wie keine Schminke gesehen und sah trotzdem noch recht jugendlich aus. Oder gerade deshalb.
    Sie öffnete die Tür, bevor Pole sie erreichte.
    »Grüß dich.«
    Gerald nickte nur. Er pustete, als er den Koffer über die Schwelle schleppte.
    »Was ist los?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast so schwer zu tragen.«
    »Ich weiß …«
    »Und?«
    »Es sind die

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