Die lebenden Puppen des Gerald Pole
ihr.
Glenda nickte. Dabei schaute sie auf ihren rechten Handrücken. Dort malte sich ein Blutfaden ab.
»Alles klar?«, fragte ich.
»Schon in etwa, John.«
»Was heißt das?«
»Shao, Suko und ich haben es geschafft, die Zuschauer aus dem Raum zu bekommen. Aber nicht nur die. Auch die Puppen, und es gab keine, die nicht gelebt hätte.«
»Habt ihr sie nicht vernichtet?«
»Jein.«
»Das heißt, es steht nicht genau fest.«
Glenda drehte sich um und schaute zurück. »Ja, so kann man es nennen. Sie sind uns ja nachgelaufen. Im Vorraum hat es dann den Terror gegeben, aber Suko hat sich besonders hervorgetan.«
»Das kann ich mir denken.«
»Shao und ich haben dann dafür gesorgt, dass die Zuschauer fliehen konnten. Sie haben die Gelegenheit genutzt. Was mit den Puppen passiert ist, weiß ich nicht.«
»Sind sie denn auch geflohen?«
»Einige von ihnen. Da bin ich mir sicher. Ob alle weg sind, weiß ich nicht.«
»Was habt ihr euch gedacht?«
»Dass wir dort vorn bleiben, um die Augen offen zu halten.«
»Ja, das ist nicht schlecht.«
»Und was hast du vor, John?«
»Ich muss mich um jemand kümmern.«
»Aha, diesen Gerald Pole.«
»Richtig.«
»Weißt du denn, wo er sich aufhält?«
»Nein, das weiß ich nicht, aber ich werde ihn finden und ihm einige Fragen stellen.«
»Sei aber vorsichtig.«
»Keine Angst, das werde ich. Und auf heimtückische Puppen gebe ich ebenfalls acht.«
»Ist auch besser so.« Glenda lächelte kurz und zog sich zurück. Sie würde bei Shao und Suko bleiben und mir gewissermaßen den Rücken frei halten.
Ich machte mich auf den Weg zur Bühne. Als ich hinter mir ein Geräusch hörte, drehte ich mich um – und schaute in das blutige Gesicht einer Frau …
***
Ich kannte die Person. Es war die Frau mit den langen grauen Haaren, deren Schritte ich nicht gehört hatte, weil ich durch Glenda zu sehr abgelenkt war.
Jetzt schauten wir uns an. Aus dem offenen Foyer fiel genügend Licht, sodass ich auch Details erkennen konnte. Die Frau war an der Stirn verletzt. Dort malten sich zwei Wunden ab, aus denen die dünnen roten Fäden liefen. Das Blut war mittlerweile eingetrocknet, und es bekam auch keinen Nachschub.
Ich nickte der Grauhaarigen zu. »Sind Sie auch noch woanders verletzt?«
»Nein, es geht mir gut. Und die beiden Wunden an der Stirn stören mich nicht.«
»Okay. Wer sind Sie?«
»Ich heiße Emma Hill.«
»Und weiter?«
»Was weiter?«
»Ja, was tun Sie hier? Es ist doch kein Zufall, dass wir hier zusammentreffen.«
»Das wollen Sie wissen?«
»Ja«, sagte ich und nickte ihr zu. »Wer sind Sie? Und was tun Sie hier?«
»Es ist mein Arbeitsplatz.«
»Ach?«
»Ja, ich arbeite für Gerald Pole, ich bin seine Gehilfin. Ich bin die Person hinter den Kulissen, ich mache auch bei den Spielen mit und sorge dafür, dass es dem Chef an nichts fehlt.«
»Wie nobel. Aber wo steckt ihr Chef?«
Sie reckte ihr Kinn vor. »Wer will das wissen?«
»Ich.«
»Und weiter?«
»Mein Name ist John Sinclair, ich arbeite für Scotland Yard. Wollen Sie meinen Ausweis auch noch sehen?«
»Nein, ich glaube Ihnen. Aber was haben Sie hier gewollt? Das ist kein Fall für die Polizei. Hier ist nichts zu holen. Das müssen Sie mir glauben.«
»Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Ich weiß, dass es kein gewöhnlicher Fall ist. Aber ich bin auch kein gewöhnlicher Polizist. Ich kümmere mich um Fälle, die aus dem Normalen herausfallen, und das hier ist so einer.«
»Sie wollen an meinen Chef heran?«
»So ist es.«
»Warum?«
»Weil er nicht gerade das ist, was man einen Menschenfreund nennt. Das ist der Grund.«
»Was hat er getan?«
»Was haben seine Helfer getan?«
»Es sind nur Puppen«, flüsterte sie. »Nun ganz gewöhnliche Puppen, die den Menschen Freude machen. Das ist alles.«
»Ja, so hättet ihr es gern. Aber es spielt noch jemand anderer eine große Rolle.«
»Und wer?«
»Der Böse. Oder auch das Böse. Die dunkle Magie.«
»Und weiter …?«
»Das wissen Sie doch«, sagte ich. »Sie sind bei Pole gewesen. Die Puppen sind nicht mehr normal, und so was passiert nicht ohne Weiteres. Sie müssen manipuliert worden sein. Ihr Chef hat dazu beigetragen. Er allein, und ihn will ich haben.«
»Er ist nicht hier!«
»Das sehe ich. Aber ich bin mir sicher, dass er sich in der Nähe aufhält. Ich werde ihn finden, verlassen Sie sich darauf.«
»Und dann? Was wollen Sie tun?«
»Ihn zur Rede stellen.«
»Wieso?«
»Er wird mir sagen, was mit
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