Die Lebenskünstlerin (German Edition)
ich hier angekommen bin.
Verschämt zupfe ich das hingebungsvoll ausgesuchte Kleid über meine Blöße. Auch die dünnen Träger sind zerfetzt.
Völlig verdattert lasse ich mich von dem schweigsamen Pascal heimfahren. Wir wechseln wieder kein Wort im Auto. Dieses Mal bin auch ich sprachlos und für die Stille dankbar.
Was mag das für eine Nachricht sein, die Raphael da geschrieben hat? Was ist denn heute Abend verkehrt gelaufen, es hat doch alles so gut angefangen?
Zum Abschied murmelt der vermeintlich stumme Chauffeur so was wie „Es ist besser so.“ Genau kann ich es nicht verstehen. Damit fährt er auch schon weiter.
Aufgewühlt hetze ich die Stufen zu meiner Wohnung hoch. Um den Fahrstuhl herbeizurufen fehlt mir die Gelassenheit. In einem irren Tempo stürze ich zum PC und lasse ihn ungeduldig hochfahren. E-Mail-Eingang.
„Geliebte Selina,
ich möchte nicht viele Worte zu einem Thema bemühen, welches sich kaum für einen Außenstehenden beschreiben lässt.
Dass ich Dich begehre und verehre und mich unerwartet heftig in Dich verliebt habe, das weißt Du nun.
Mein Geheimnis ist die Art, wie ich meine Sexualität ausleben muss. Du sagtest mal, mit ein wenig Sado-Maso könntest Du leben. Doch ich brauche mehr. Viel mehr.
Ich kann nur zur Erfüllung meiner Triebe gelangen, wenn ich gewindelt werde. Und einnässen und einkoten darf.
Ich weiß, dass Dich das schockieren wird, weil Du mit so etwas nicht rechnen konntest, da Deine Welt eine völlig andere ist.
Siehst Du, ich habe Dir sehr genau zugehört.
Nein, es gibt kein ABER, es ist genauso. Ich bin nicht der Einzige auf diesem Planeten, der so gepolt ist.
Nein, diesen Trieb kann ich nicht unterdrücken, auch für Dich nicht.
Ja, es geht mir gut damit. Jedenfalls bevor ich dich kennengelernt habe.
Nein, ich werde mich nicht mehr bei Dir melden. Ich würde Dich unglücklich machen. Du suchst etwas anderes in Deinem Leben, etwas, was ich Dir auf Dauer niemals geben könnte.
Liebste Selina, ich wünsche Dir die Erfüllung Deiner Träume und dass Du das findest, was Du so dringend suchst.
Bitte verurteile mich nicht.
Sind wir nicht alle Suchende?
Du wirst bis an mein Lebensende immer einen großen Platz in meinem Herzen einnehmen.
In Liebe
Raphael
Der schmucke Bergdoktor in Windeln.
Nein, das ist ein schlechter Scherz. Fassungslos starre ich immer wieder auf die nun ausgedruckte E-Mail.
Was soll das? Windeln und dann da reinmachen? Ich kenne den Unterschied zwischen Stock und Peitsche, Fesselspiele, Liebesbisse und solche Dinge. Da kann ich noch mit umgehen. Aber in die Windeln scheißen? Raphael? Mein göttlicher Erzengel Raphael.
Nein. Nein. Nein!
Er nimmt sofort den Hörer ab, als ich ihn anrufe: „Ja, es stimmt.“
Ich heule, er sagt leise alles Liebe und legt auf.
Elena meint, ich soll die E-Mail nehmen und vorbeikommen. Aber vorsichtig fahren.
Keine Ahnung, wie ich zu ihr gekommen bin.
Sie ist bestürzt wegen dem Windeln. So hat sie ihn auch nicht eingeschätzt. Ja, wenn er Schluss macht deswegen, weil er nicht anders kann, was soll man da sagen? Der Psychodoktor ist wohl selbst ein Psycho.
Sie kann mir nichts raten, sie versucht mich zu trösten. Mir laufen die Tränen, viele jahrelang angesammelte Tränen der Enttäuschung. Des Schmerzes. Ich weine um all die wunderbaren Träume und verlorenen Hoffnungen.
Aber ich habe mich doch in diesen Mann verliebt. Er riecht doch so gut, ich habe mich unendlich wohl in seinem Beisein gefühlt.
Mit Windeln kann ich nicht umgehen. Ich verurteile es nicht, doch ich weiß, dass mich das nicht anturnt, sondern anekelt.
Was würde meine Therapeutin dazu sagen? Wieso ist er nicht einfach bisschen sadistisch oder masochistisch? Muss es denn gleich das ganze Ausscheidungsprogramm sein? Kaviarliebhaber, die sich gegenseitig ein dampfendes Würstchen legen? Und dann noch Windeln?
Ein Bild von einem Mann in vollgekackten Windeln. Ich hatte gehofft, dass er mich beschützt und stattdessen will er Baby spielen.
Keine Ahnung was ich mache. Ich bin völlig verwirrt und muss ständig weinen. Mit Viagra hätte ich gut leben können, mit Pampers nicht.
Die nächsten Tage verbringe ich im Bett. Ich habe mir die ganze Woche frei genommen, um in Ruhe an die Zimmerdecke starren zu können. Doch bald habe ich genug davon. Ich will kämpfen. Mein bisheriges Leben bestand aus Kampf, da kenne ich mich doch zur Genüge aus.
Zuerst koche ich mir einen starken Kaffee, dann google ich
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