Die Lebensprinzipien
abgeschoben wurde, hatte dort ausgiebig Zeit, ihre dunkle Seite zu kultivieren, weshalb in der griechischen Götterwelt dann auch Göttinnen wie Persephone, die Herrin des Totenreiches, und die düster-magische Hekate wichtige Rollen spielen. Sie entsprechen der dunklen Seite des Mondes, der immer im Schatten der Sonne liegt. Hekate wurde so
mächtig, dass nicht einmal Zeus selbst die Auseinandersetzung mit ihr wagte. Im Griechenland der Antike gestand man diesem verdrängten weiblichen Pol wenigstens diese düsteren Rollen zu und achtete und respektierte die dunklen weiblichen Archetypen, wenn man sie schon nicht mehr liebte und verehrte. In der modernen Gesellschaft ist auch das nicht mehr der Fall. Hier muss sich die Große Mutter-Göttin andere Wege suchen, um aus dem Schattenreich heraus ihre Macht auf der Kehrseite der Gesellschaft zu entfalten. Da ihre seelischen Qualitäten immer weniger akzeptiert und geschätzt werden, erlebt sie gleichsam im Sinne von Krankheit als Symbol ein In-den-Körper-Rutschen ihrer Thematik. Wenn ihr Erfüllung nicht mehr möglich ist, dringt Fülle ins Spiel des Lebens. So kommt sie heute zurück über die gewaltigen Figuren nach dem Modell der Venus von Willendorf, die eindeutig eher Mondgöttin als Venus ist. Sie stammt aus einer Zeit, in der das Weibliche noch dominierte und sich alles um Fruchtbarkeit und Fülle der Nahrung drehte. So ist ihr großer runder Bauch Zeichen von Fruchtbarkeit im Sinne von Körper als Spiegel der Seele . Ihre gewaltigen Brüste sind Ausdruck einer unbegrenzten Fähigkeit zu nähren. Ihr aus- und einladendes Becken verrät uneingeschränkte Gebärfreudigkeit, ihr breites Gesäß steht für entsprechende weibliche Durchsetzungsfähigkeit, und ihre gewaltigen Schenkel verdeutlichen weibliche Kraft und Macht. Dass ihr Kopf so klein und gesichtslos unter einer Mütze verborgen ist, zeigt nur, wie gering die Rolle des Oberstübchens damals noch war und eingeschätzt wurde.
Bild 1
Demeter , die Mondgöttin der Fruchtbarkeit, macht ebenfalls einen wesentlichen Aspekt archetypisch weiblicher Reaktion auf männliche Dominanz deutlich. Als Zeus-Jupiter es zulässt, dass sein Bruder Pluto-Hades, der Gott der Unterwelt, Demeters Tochter Kore-Persephone entführt, erpresst sie ihn schlicht und einfach, bis die beiden Macho-Brüder Kore, das Samenkorn, wieder herausrücken. Durch Zeus’ Weisheit fällt dabei noch der bereits beschriebene Kompromiss für das Samenkorn und die Erde ab.
Deutlich wird die wesentliche Rolle des Mondprinzips in jenen Naturvölkern, die den Mond wichtiger nehmen als die Sonne und von entsprechenden Fruchtbarkeitsriten und Mondmythen geprägt sind, die allerdings für unsere Kultur wenig Bedeutung als Vorbilder haben.
Feuilleton
Beim Biedermeierstil als Verkörperung des Mondprinzips ist der Name Programm. In Mode, Kleidung und Malerei vermittelt er die gemütliche Atmosphäre einer heilen kleinen Welt. Auch der Impressionismus entspricht in mancher Hinsicht dem Mondprinzip. Genauso die ruhigen Ölgemälde der niederländischen Schule, wie sie Rembrandt , der im Zeichen Krebs geboren ist, erschaffen hat. Eines seiner besonders mondhaften Werke ist zum Beispiel »Die heilige Familie«. Rubens , ebenfalls Krebs, verehrte in runden, fließenden Formen mondhafte Weiblichkeit – etwa in dem Gemälde »Die drei Grazien« – und kannte seinerzeit noch nicht die moderne Aversion gegen Cellulite, das typisch mondhafte und heute besonders von Frauen gehasste (arche-)typische Gewebe.
Unter den Schriftstellern ist Marcel Proust Vertreter des Mondprinzips, wie er (arche-)typischer nicht sein könnte, wenn man sein Horoskop betrachtet: Mit Sonne, Jupiter, Merkur und Uranus im Krebs und obendrein im vierten und damit Krebshaus, hing er – (arche-)typisch Mond – an der Vergangenheit fest. So sammelte er
die von ihr verbliebenen Eindrücke und Erinnerungen in seinem monumentalen Werk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit . In hingebungsvoller Liebe fürs Detail beschreibt er atmosphärisch dicht – und für nicht so mondhafte Wesen langweilig, denn es geschieht fast nichts – Menschen und Orte, während er sich an Gerüche und Geräusche, Ereignisse und Bilder von damals erinnert. Die Vergangenheit war ihm wie vielen vom Mondprinzip geprägten Menschen eine Quelle der Inspiration. Er wird in den wohl nicht zufällig dreizehn Bänden einer der Ausgaben seines Werkes zum großen Sammler wie so viele mondbetonte Gesinnungsgenossen, wobei die
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